23.11.08

Morgenstille

Es gibt ja nicht allzu viele Leute, die ich mag. Korea-Freunde gibt es eine ganze Menge, aber kaum jemand verfuegt ueber die noetige Stabilitaet, Korea als das zu akzeptieren, was es ist, sich ueber das Positive zu freuen, das Negative nicht zu ignorieren, aber sich auch nicht dran aufzuhaengen. Auch wenn es sicher mehr gibt, kenne ich nur 4 Personen, die diese Stabilitaet und Reife gefunden haben - keiner von ihnen sagt, dass er ewig in Korea bleiben wird, aber alle geniessen ihr Leben hier in vollen Zuegen. Dass alle diese 4 Personen auch ausserhalb des Themenbereichs Korea eine mir extrem aehnliche Einstellung zum Leben haben, hat mich zunaechst verwundert, aber das finde ich umso besser. Ich mag solche Leute, denn wie man an meinen ganzen Blogs ueber die Jahre sehen kann, ist eine lange Reise damit verbunden, von einer extremen Schwaermerei zu einer unaufgeregten Liebe zum Land zu kommen. Gestern traf ich mich also mit "Person 4" und dies beinhaltete gluecklicherweise, dass ich zum ersten Mal seit langem wieder mit einem vollkommenen Westler fliessend Koreanisch sprechen konnte. Was wohl auch eher an der Einstellung zu Korea liegt und nicht an der Uni Hamburg als solcher.
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Das ganze fing gleich damit an, dass er von einem Kumpel angerufen wurde, der wiederum Jakub kannte und natuerlich auch meinen Blog las, sodass da dann schon wieder das Beziehungsnetz weitergesponnen wurde. Koreanisten sind alles eine einzige Inzest-Truppe.
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Also sassen wir bei Suppe, Soju, Obst und Bier zusammen und tauschten uns ueber die letzten 21 bzw. 22 Jahre unseres Lebens aus. Gut, dass ich noch so jung bin, denn wenn man aelter wird, reicht wohl eine Nacht nicht mehr aus, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Wir redeten wohlgemerkt beide fliessend Koreanisch miteinander, was verwunderte Blicke einbrachte und nervigerweise auch eine emigrationsbereite Koreanerin an den Tisch lockte, die meinte, uns als Jahrmarktattration an ihren Tisch holen zu muessen.
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Laute Morgenstille
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6:48 Uhr morgens in Sinchon aus einem Noraebang zu kommen, sich eine Bananenmilch zu genehmigen und auf den Treppen vor Krispy Kreme bis 7 Uhr zu warten, damit man die frischesten Donuts ueberhaupt bekommt, ist so ziemlich die Definition eines gelungenen Morgens. Ich hab mir als Kind immer vorgestellt wie das sein mag, nachts in einem Kaufhaus eingesperrt zu werden. Als erster Kunde morgens in einem Laden zu stehen, ist ein bisschen so wie Kaufhaus, nur dass es lecker duftende Donuts gibt.
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Und dann schaut man auf das morgendliche Treiben in Sinchon und ploetzlich faehrt ein schwarzes Auto an einem Taxi vorbei, das Taxi schert ein, das schwarze Auto versucht auszuweichen und schrammt an einem Bus entlang, waehrend das Taxi in die Seite des schwarzen Autos reinknallt. Dahinter stapelt sich dann auf der Kreuzung der Verkehr und mittendrin steht ein riesiger Schaufelbagger von einer der unzaehligen Baustellen. Da weiss man wieder, dass man in Korea ist, dem Land der Morgenstille.
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Lecker Donuts geholt, sich das Unglueck betrachten und selbst ins naechste Taxi steigen, um nach Hause zu kommen am anderen Ende der Stadt. Dann Erziehungstipps fuer Frauen von einem koreanischen Taxifahrer bekommen, die ich hier aus Jugendschutzgruenden besser nicht wiedergebe. Wieder einmal faellt mir aber eine sprachliche Finesse auf. "Waenyahamyeon" ("Falls Sie sich fragen warum", bzw. ganz einfach "Denn", "Naemlich"). Jeder zweite Satz des Taxifahres begann mit dieser Floskel, doch interessierte mich sein Gerede ueberhaupt nicht. Im Traeum waer ich nicht auf die Idee gekommen, "zu fragen, warum". Er haette einfach die Klappe halten sollen, am Fluss langfahren anstatt mich durch Yongsan zu juckeln und dann einfach absetzen zu wollen. Stattdessen rechtfertigte er seinen Monolog ueber das Leben mit "Waenyahamyeon". Ich mag diese Floskel nicht.
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Was ich aber mag, ist am Nachmittag nach durchzechter Nacht vom Donut-Geruch geweckt zu werden, ein wenig spazieren zu gehen im Tempel, sich mit ein paar Moenchen zu unterhalten, die neue Gemeindezeitung durchzulesen, ein wenig zu meditieren, ein wenig mit den Katzen zu spielen und dann faul rumzuliegen und den Sonntag mit ein bisschen Fernsehen und Lesen zu beschliessen. Wunderbar.
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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Dein "Waenyahamyeon" ist mein "Keureohnigga" ist unser aller Floskelnleid ;D
Waenyahamyeon...Keureohnigga
el Waschbär