23.5.09

Ungefragter Rat

In Anbetracht der Tatsache, dass derzeit Mitglieder aus Rohs ehemaliger Partei, Regierung und selbst sein "Vize" Jeong Dong-young beim Versuch dem Toten Respekt zu zollen, von Roh-Anhängern mit Erde beworfen oder Schaufeln attackiert werden, sollte Präsident Lee vielleicht davon Abstand nehmen, wie geplant, persönlich am Sarg aufzutauchen. Auch von Messern zerschlitzte Präsidenten und mit Kuhscheiße beschmissene, zerrupfte Trauergestecke der Regierung sollten Herrn Lee eigentlich zeigen, dass das keine gute Idee ist. Am besten sollte er sich die nächsten Monate in seinem Bunker verstecken, bis die ersten Schaufelschwinger wieder nach Hause gehen. Jede Reaktion der Regierung ist im Moment falsch. Hätten sie kein Staatsbegräbnis angeordnet, wäre es als Respektlosigkeit aufgefasst worden, jetzt tun sie es und es wird als Provokation aufgefasst. Einfach Klappe halten in der Regierung und sich verschanzen, hat ja schon einmal geklappt.
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Und so verwirrend es klingen mag, dass Rohs Anhänger jetzt seine alten Mitstreiter angreifen: Irgendwie ist diese Attacke auf Jeong auch folgerichtig. Nicht Lee Myeong-bak hat Roh in den Tod getrieben, auch nicht die Medien - Roh hatte schlicht immer alle gegen sich, bis auf diesen einen Tag im Dezember, an dem er die Wahlen gewann und die kurze Zeit der Euphorie danach. Davor und danach war sein Leben ein einziger Kampf gegen Widerstände und mit sich selbst. Mal waren es Diktatoren, mal Parteifreunde, mal die Medien, mal er selbst und schließlich auch seine Familie - irgendjemand stand ihm immer im Weg. Ein tragisches Leben, ein tragischer Tod, auf den das koreanische Wort "파란만장" wirklich gut passt. Ein Leben mit Aufs und Abs, vielen abrupten Wechseln und Widerständen. Vielleicht kann man das im Deutschen mit dem berühmten "Kampf gegen Windmühlen" vergleichen.
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Ich werde Roh als das in Erinnerung behalten, für das ich ihn auch im Leben hielt: Einen freundlichen, integren Menschen, der mit dem Präsidentenamt und den Anfeindungen, die ihm aus allen Seiten entgegenschlugen, nicht zurecht kam und am Amt zerbrach. Schließlich machte ihm das Netz aus Korruption, das anfing bei seinem Bruder und bis zu seiner Frau geht, einen Strich durch den denkbar einfachsten Traum, das Leben eines Bauers in seinem Heimatdorf zu führen. Punkt. Es braucht keine Legendenbildung um Roh. Er war kein König Sejong und er war kein Provinz-Hinterbänkler, er war ein normaler Mensch mit allen Schwächen und Stärken, aber mit vielen Träumen - und weil er so ein ganz normaler Mensch war, haben viele ihn gemocht und verehrt. Nochmal Punkt.
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Wie auch immer nun meine Leser das ganze bewerten mögen, darüber, dass dies alles eine Tragödie ist, sind wir uns sicher einig. Und eine, die noch nicht zuende ist, denn der Streit, der jetzt durch den Selbstmord ausgelöst wird und noch längst nicht seinen Höhepunkt erreicht haben dürfte, wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Die nächsten Wochen könnten schlimmer werden als die Kerzenproteste. Es reicht eigentlich schon, wenn man jemanden abführt, der ein Bild Rohs bei sich trägt, was dabei von Polizisten zerknickt wird und schon haben wir die nächsten Massenproteste hier. Pulverfass. Ich bin mir recht sicher, dass es jetzt nur aufgrund der ersten Trauer noch nicht zu größeren Zusammenstößen gekommen ist.
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Die nächsten Jahre werden dann vom Kampf um die Meinungsführerschaft bestimmt werden. Die einen werden versuchen Lees Regierung als eigentliche Mörder darzustellen, die anderen Roh als unfähigen und korrupten Menschen, der sich der Verantwortung entzogen hat - und ein Großteil dieses Kampfes wird neben den Medien auch in der akademischen Welt mit den Mitteln der sogenannten Objektivität ausgetragen werden, die in Korea meist noch immer "schwarz" oder "weiß" bzw. "blau" oder "grün/gelb" bedeutet.
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3 Kommentare:

Jens-Olaf hat gesagt…

Es gibt auch andere Roh-Unterstützer.

Gomdori@KU hat gesagt…

ja sicher gibt es die. zuhauf. genauso wie es viele moderate konservative gibt. trotzdem wird das image der anderen beschaedigt durch diese spaete schutzpatrouille.

han myeong-suk und lee hoi-chan, die erste schaetze ich sehr, den zweiten nicht so sehr, z.b. haben sehr verantwortungsvoll zwischen familie und regierung vermittelt...

ich find es nur traurig, dass dieser kleinkrieg sogar noch am sarg von roh weitergeht und glaube er haette nicht gewollt, dass leute den parlamentspraesidenten mit wasserflaschen und eiern bewerfen.

Jens-Olaf hat gesagt…

Zum Beispiel: Sollte Lee Probleme mit Nordkorea kriegen, meine Unterstützung hat er. Ich kann auch ohne weiteres das Lager wechseln. Mit Kommis habe ich massive Probleme.