4.6.09

Chueotang oder die Vorstufe zum Nordsee-Brötchen

Also manchmal weiss ich gar nicht, was meine koreanischen Kollegen haben. Die Konzepte von eklig scheinen doch immer noch sehr unterschiedlich zu sein.
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Wir hatten heute das berüchtigte Hoesik, also ein Massenbesäufnis der gesamten Abteilung, dem man sich kaum entziehen kann. Manchmal sind die ganz lustig, manchmal wird es auch recht peinlich. Was es ist, wenn der Abteilungsleiter anfängt französische Chansons zu singen, diese Bewertung möge jedem Einzelnen überlassen bleiben. Einige mussten sich jedoch das Lachen deutlich verkneifen, während ich es irgendwie auf eine andere Art lustig fand. Die gezielte und eingeplante "Degradierung", also das Herunterkommen vom hohen Ross der Ränge und Positionen, das ist ja ein wichtiges Ventil in der koreanischen Gesellschaft. Nicht, dass dies bei unserem Abteilungsleiter groß nötig wäre, aber ich finde es schon witzig ihn auch Mal außerhalb von Sitzungen und Besprechungen zu sehen.
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Und da wir nur alle 3-4 Monate ein echtes Hoesik haben, ist es wirklich ganz nett, weil endlich Mal alle zusammenkommen und man mal ein wenig reden kann, wobei sich natürlich auch hierbei wieder die gleichen Grüppchen bilden.
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Wie auch immer, Hoesik sollte eigentlich gar nicht mein Thema sein, sondern dass ich Mal wieder die Attraktion des Abends war, weil ich etwas angeblich Widerliches gegessen habe.
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Und zwar besagte Chueotang. Eigentlich hatten wir ja schon gegrillt, aber in Korea bestellt man danach ja noch "Bab", also meist eine kleine "Nachspeise" zum Runterspülen wie Naengmyeon. Oder eben Chueotang, denn das war die Spezialität des Hauses und ansonsten gab es noch Nurungji zur Auswahl.
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Allen Koreanern leuchten die Augen bei Nurungji, Erinnerungen an die Kindheit, an Besuche auf dem Land und sontige Romantizismen kommt auf und so war ich der einzige, der Chueotang ausprobierte.
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Denn ich hatte mich aufgrund einer persönlichen Regel, die ich Mal ziemlich ohne Grund aufgestellt hatte, bisher nie daran gewagt. Diese Regel besagt, dass bei allem, was aus dem Meer kommt oder nach Taube aussieht, ich mich erst einmal informieren möchte, was genau ich da verspeise.
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Chueotang wurde mir als Suppe vom "Chueo" beschrieben. Ja, danke für die ausführliche Erklärung. Dann wurde mir noch gesagt, dass Chueo auf Englisch "loach" hieß. Das hörte sich dann schon nicht mehr so gut an.
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Als die Suppe dann auf dem Tisch stand, hatte ich rausgefunden, dass das die kleinen Fischchen sind, die im Reisfeld im Schlamm leben. Und meine Chefin hatte mir noch irgendwas erklärt, wobei ich nur die Vokabeln für "mahlen", "widerlicher Geruch" und "eklig" verstand.
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Als ich also vor meiner Suppe saß, kamen plötzlich die Leute von anderen Tischen, um mir dabei zuzugucken. Also nahm ich den ersten Bissen und war angenehm überrascht. Ein bisschen wie eine Mischung aus Yukgaejang und Kongbiji Jjigae, zwei meiner Lieblingsgerichte.
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Mit zunehmender Menge wurde dann das Ganze aber eher zu einer Qual, denn ein stechender Geruch und Geschmack, etwa vergleichbar mit Nagellackentferner oder gegorenem Orangensaft (fragt nicht, woher ich das kenne). Aber gar nicht schlecht.
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Jetzt sitze ich zuhause, übersetze weiter für den Übersetzerpreis (ja, ich bin so arrogant da teilzunehmen, obwohl ich unfähig bin, danke für den Hinweis..lol) und mir fällt wieder ein, dass ich nachgucken wollte, was es ist.
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Chueotang wird traditionell im Südwesten hergestellt, wo man es folgendermaßen herstellt.
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1. Die kleinen hässlichen Fischchen werden aus der Brühe im Reisfeld geholt.
2. Dann werden sie leicht abgespritzt mit Wasser und dann noch lebendig mit Salz überkippt.
3. Dann holt die Ajumma den Mühlstein und mahlt die kleinen Biester im Ganzen zu Fischbrei.
4. Wo jetzt die Fritteuse und ein lecker Brot ein Nordsee-Fischbrötchen machen würden (wie ich es vermisse!), kommt nichts mehr.
5. Stattdessen wird das ganze in pfeffrige Brühe zusammen mit ein paar Kräutern, Chilipulver und sonstigem Zeug gekippt.
6. Guten Appetit.
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So, ich hoffe ich habe Mal wieder einen guten Dienst für die Bekanntmachung koreanischer Kultur getan. Aber wenn mir schon im Unterricht empfohlen wird, mal einen Spatzen zu braten, dann ist so ein bisschen Fischbrei wirklich nichts.
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Warum finden Koreaner eigentlich die Vorstufe zur Fischboulette eklig, zumal wenn der Geschmack teils von der scharfen Brühe überspielt wird, mögen aber im eigenen Dunst gegarte Seidenraupenlarven? Ich werde wohl nicht mehr hinter das Geheimnis für Ekligkeits-Standards kommen. Oder haben sich nur die feinen Leute aus der Seouler Mittelschicht so? Ich kann mir vorstellen, dass auf dem Land, wo es herkommt, das Gericht ganz beliebt ist. Zumal es in meiner Erinnerung gar nicht so exotisch ist. Habe schon viele Restaurants dafür gesehen bisher.
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