Egal, wie man es dreht und wendet: Ich werde im Bezirk Mapo bleiben und wohl auch in Gongdeok. Muss zwar noch genau gucken, ob meine Vermieterin sich auf eine Erhoehung der Kaution und Senkung der Miete im Gegenzug einlaesst, aber ihr wird es schon lieber sein, wenn die Wohnung durchgaengig vom braven Deutschen bewohnt ist, der "nicht alles so dreckig macht wie die Koreaner" (Originalton koreanische Vermieterin).
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Hatte in den letzten Wochen etwas nachgedacht, mal wieder umzuziehen. Habe bisher nirgends in Korea mehr als 8 Monate gelebt, aber hier in Gongdeok sind es tatsaechlich schon, man mag es kaum glauben, 9 Monate. Obwohl ich mich hier wohlfuehle, habe ich mein typisches Kribbeln bekommen, dass Veraenderung doch auch mal wieder gut sein koennte. Expansion natuerlich ebenso. Aber auch ein Suchen von anderen Wohnungen, was mich normalerweise immer zum Umziehen bewogen hat, hat diesmal nur dazu gefuehrt, dass ich meine jetzige Wohnung noch besser finde. Ist schon faszinierend, was so eine Schiebetuer alles ausmacht.
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Aber es ginge auch schlicht nicht anders. Gongdeok war eine Vernunftentscheidung, die nicht nach Ansehen der Nachbarschaft getroffen wurde, sondern schlicht nach Durchschauen des U-Bahnplans: Wie kriegt man KBS, KTO und KU unter einen Hut ohne die halbe Woche in der U-Bahn zu verbringen. Gongdeok war die Loesung. Und zwar eine gute. Was nutzt eine tolle Nachbarschaft mit Charme und alten Gaesschen wie Bomun es war, wenn man doch nie die Zeit hat, dort in Ruhe ein Schwaetzchen mit den Bewohnern zu halten.
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Offensichtlich haben inzwischen auch viele andere die Bequemlichkeit des modernen, anonymen Grosstadtlebens hier entdeckt. Ein Hochhaus nach dem anderen wird hochgezogen. Vom alten Viertel sind noch genau 2 Strassenzuege mit Einfamilienhaeusern (genauer gesagt alten, baufaelligen Huetten) und 2 Fressgassen (die sehr schoen) uebrig. Der alte Markt wird voellig neugebaut, gegenueber entsteht der neue Hauptsitz von S-Oil, die Alumnis der Seoul National University bauen sich ihr Hochhaus, ein neuer Luxus-Apartmentkomplex, die Bahnhofsmall, noch mehr Apartments und noch mehr Officetels. Als ich hergezogen bin, klaffte auf der einen Seite der Kreuzung ein riesiges Loch. Heute stehen dort 3 Hochhaeuser im Rohbau, ein viertes wird gerade begonnen zu bauen. Gongdeok wird in wenigen Jahren ein neues Subzentrum Seouls sein. Gut, schlecht? Ich weiss nicht. Aber ich werde mindestens bis zum Abschluss an der KU hier haengen bleiben, sollte sich an den Jobs nicht viel aendern.
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Endstation hat immer zwei Bedeutungen. Es kann die letzte (schoene) Station einer Reise sein und es kann als Weg ohne Fortkommen interpretiert werden. Dazu gibt es auch ein (schoenes) Lied mit gleichem Namen. Mapo Jongjeom. Endstation Mapo.
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Mapo war damals als das Lied rauskam (1968) eines der drei aermsten Viertel Seouls in einer an Armenvierteln nicht armen Stadt. Es war wirklich die Endstation, im mehrfacher Hinsicht. Die Strassenbahn aus dem Zentrum hatte hier die Endhaltestelle. Vom Bahnhof Mapo aus ging es dann den beschwerlichen Weg in die Slums von Ahyeon und Malligogae hoch. Yeouido, heute Sitz von Parlament und Finanzfirmen, war damals nicht mehr als eine schlammige, sandige Insel mit einem Militaerflughafen drauf, von den heutigen Hochhausschluchten keine Spur. In dieser Stimmung wurde von Endstation Mapo gesungen. Sowas wie Endstation Neukoelln. Gestrandet. Der Fluss war damals noch ein echtes Hindernis. Von Yeongdeungpo, da wo heute eines der schoensten Einkaufszentren steht, das ich je gesehen habe, wird gesprochen als laege es am anderen Ende der Welt. Man kommt nicht rueber, wenn man die letzte Strassenbahn verpasst hat. Man moechte den Damen zurufen "nehmt doch ein Taxi", doch das geht ja nicht. Alles erst 40 Jahre her. Ich weiss, ich thematisiere diese Entwicklung sehr sehr oft, aber auch Koreaner tun dies. Es ist nun einmal wirklich unglaublich. Die einen lehnen sich zufrieden zurueck und blicken auf das Erreichte, die anderen fuehlen sich vergewaltigt von der Entwicklung. Aber zurueck will niemand, der klar denken kann. Und das obwohl die Musik damals deutlich gehaltvoller war...
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