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Hyeri (pinkes T-Shirt), ihr Großvater und ich. Ok, schlechter Scherz. Jedenfalls war heute Chuseok, wörtlich Herbstabend, einer der beiden wichtigsten Feiertage Koreas - und es war ein Chuseok zum Verlieben, das einfach nur anstrengend, aber perfekt war. Wie so ein Feiertag sein muss. Wann hat man schon Mal Mitte September 31 Grad, blauen, wolkenlosen Himmel und kann in einem traditionellen Haus sitzend seinen kühlen Tee mit Blick auf den Namsan nippen. Es sind diese Momente, die mir keine Statistik geben kann, die sagt, dass Deutschland sozial gerecht, wirtschaftlich entwickelt und sonst was ist. Und ja, es sind oft nur Momente, kurze Zeiträume, die einen aber für alles andere entschädigen. Aber ich wollte ja in Zukunft das Politisieren meiner kleinen Erlebnisse lassen.
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Hatte mich mit Hyeri mittags getroffen, um zu einer Aufführung zu gehen, die ihre Schwester für uns ausgewählt hatte. Da ihre Schwester ungefähr genauso viel Ahnung von traditioneller Kultur hat wie jede andere koreanische Studentin auch, hatten wir nicht allzu viel erwartet.
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Was uns dann im neu eröffneten Theater für Traditionelle Musik (Namsan Gugakdang) im Namsan-Park erwartete, war aber die mit Abstand (!) beste traditionelle Aufführung, die ich je erlebt habe. Es war ein Schaulaufen der besten Talente einer neuen Generation, die jetzt in die Fußstapfen der alten Großmeister tritt. Ohne groß auszuholen, kann man grob sagen, dass es die alten Großmeister gab und dazwischen etwa 20-30 Jahre ziemlich wenig. Nun aber blüht die traditionelle Kultur wieder - aller Unkenrufe zum Trotz.
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Es fing an mit Volksliedern aus Gyeonggi-do, gesungen von den obligatorischen Immateriellen Kulturgütern mit einer Energie, dass es mich einfach nur weghaute. Dazu mag auch beigetragen haben, dass Hyeri und ich in der ersten Reihe, geschätze 8 Meter von den Akteuren wegsaßen. Gänsehaut.
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Weiter ging es mit 3 unglaublich tollen Leuten. Ein 16-jähriger, der bereits jetzt Gosu (Meistertrommler) ist für die Großen den Buk schlägt. Dazu die Sängerin, die das Titellied meines Lieblingsdramas gesungen hat. Ich glaube ich muss nicht sagen, was da in mir vor ging als sie das ein paar Meter von mir entfernt trällerte. Ihre Begleitung, ihr Ehemann wie sich herausstellte wiederum, kannte ich eher zufällig. Ich gucke sehr gerne nachts die Fernsehsendung Sisa Tonight. Eine Mischung aus Frontal21 und Heute-Journal. Da gibt es eine Kommentarecke, die in Form eines Pansori vorgetragen wird. Ja, ich muss wohl nicht erwähnen, dass DER es war, der auf der Bühne stand. Jedenfalls trugen sie Teile von Heungbuga vor - und zwar mit einem Witz, der genau richtig dosiert war, aus der Tradition das beste rauszuholen, sie aber nicht ins Lächerliche zu ziehen. Eine grandiose Show.
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Doch es wurde noch besser. Als nächstes kam das Gayageum-Ensemble der Sukmyeong-Uni, eine extrem bekannte Gruppe, deren Alben sich ziemlich gut verkaufen. Ihr besonderes Merkmal ist, dass sie Stücke wie "Let it be", "El Condor Pasa" etc. auf Gayageum koreanisieren, sodass es wirklich passt. Heute war dann auch ein schöner Mix mit dem Höhepunkt "Pachelbel-Kanon". Ja, schon abgelutscht. Aber wer das KTO-Video kennt, bei dem sie mitgemacht haben, muss es einfach mögen.
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Weiter ging es mit einer Gruppe aus Nordkorea. Ein absolutes Novum. Hauptsächlich waren es Schüler eines Meisters, der aus dem Norden geflüchtet ist und die Lieder und Tänze der Westprovinzen Nordkoreas mitbrachte. Absolut beeindruckend, da ich das noch nie gesehen habe. Dieser Teil scheint noch mehr Energie, noch mehr einfachen Humor zu haben als das, was ich bisher so kannte. Erinnerte mich von der Art her sehr an "Soran Bushi", einen japanischen Fischertanz, wenn da auch ansonsten keinerlei Verbindung besteht.
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Und zum Abschluss dann noch ein Höhepunkt: Ein männlicher Schamane, der den Besuchern mit viel Witz das Glück brachte. Und nicht nur das Glück, sondern auch Obst und Reiskuchen. Kostenlos wurde das natürlich unter die Zuschauer verteilt. Unglaublich toll.
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Dann ging es wieder raus in die Hitze. Ein wenig im Park spazieren und dann in das Teehaus, was im Park ist, mit Blick auf den Namsan. Einen Meeresfrüchte-Pfannkuchen, ein wenig Makgeolli-Reiswein, ein wenig Tee und vor allem ganz viel Atmosphäre aufsaugen. Von draußen Kinderstimmen, im Hintergrund Pungmul-Perkussionsmusik von einer anderen Aufführung im Park. Einfach nur grandios.
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Danach war uns langweilig und wir streunten ein wenig am Namsan entlang nach Myeongdong hinein, wo natürlich alles offen war. Wie überhaupt die ganze Stadt noch viel lebendiger war als sonst. Dieses Jahr sind viele Leute in Seoul geblieben, weil das Chuseok-Wochenende so kurz ist. (Nur Sa, So, Mo). Deswegen war dieses Jahr noch viel mehr Volksfeststimmung als sonst. In Myeongdong waren in den letztn 6 Monaten auch gleich mal wieder 3 neue Kaufhäuser hinzugekommen. Wir aber brauchten einfach Ruhe und kehrten auf die bequemen Sessel bei Mindeulle Yeongto ein, wo wir einen Saft und Tee nach dem anderen ausprobierten und dabei Reisepläne schmiedeten. Also Hyeri schmiedete und ich nickte brav. Ich habe in den letzen Monaten viel gelernt....
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Jedenfalls hatte sich ihre Schwester noch immer nicht dazu aufraffen können, sich anzuziehen und mit uns mitzukommen, sodass wir dann abends in einem fast menschenleeren Insa-dong landeten. Irgendwie ist Seoul zu Chuseok trotzdem komisch, weil sich die Relationen verschieben. Viele Koreaner sind auf dem Land oder zumindest bei ihren Familien. Insbesondere verschwinden die sonst so auffällig vielen alten Menschen fast gänzlich aus dem Stadtbild, weil sie mit den Familien unterwegs sind. Gleichzeitig verdreifacht sich geradezu die Zahl der Ausländer, da die ganzen Gastarbeiter einen ihrer wenigen freien Tage haben und irgendwie auch gefühlt mehr Touristen unterwegs sind. Irgendwie ist es auch angenehmer mit leicht angeheiterten Familien in der letzten U-Bahn zu sitzen als mit sturzbetrunkenen Ajeosshis, die sich meinen auf meiner Schulter ausruhen zu müssen.
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Wie auch immer. Zum Essen muss man fast nichts mehr schreiben, da reicht eigentlich das Foto. Wie kann ein einzelnes so kleines Land so eine feine, vielfältige, reichhaltige, gesunde Küche auf die Beine stellen. Es bleibt mir unbegreiflich. Fast jeden Tag entdecke ich eine neue Beilage. Heute wieder 2, die ich noch nie gegessen habe. Ich mein, ich bin zum 5. Mal hier, habe geschätzte 400 Mahlzeiten zu mir genommen in Korea. Naja, 12.000 Won pro Person, dafür gab es Reis, 8 Beilagen, Ssam-Blätter, Godeungo Jorim, Jeyuk Bokkeum und Dwaenjang Jjigae. Wir waren aber noch vom Mittag so voll, dass wir gar nicht alles essen konnten. Nach einem kurzen Spaziergang durchs abgeranzte Seouler Schwulenviertel (ja, sogar sowas gibts hier) und das danbenliegende ebenso abgeranzte Arbeiterviertel auf der Suche nach Songpyeon fanden wir dann an der Nakwon Sangga endlich das richtige Geschäft. Als guter Seouler kauft man sich seine "kiefergedämpften Reisküchlein mit Füllung" nämlich hier. Was Hyeri dann auch für mich tat.
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Dann wurde ich freundlicherweise, kurz vorm Kollaps nach 11 Stunden Koreanisch am Stück, in die Nacht entlassen und mir fiel auf, dass der Norden Seouls wirklich ziemlich abgeranzt ist im Vergleich zu Gangnam. Es ist echt keine Einbildung. Ich mein, ich find das super mit den kreuz und quer auf der Straße stehenden Fressbuden, den Müllbergen und Menschenmassen - aber Weltmetropole sieht schon anders aus. Aber irgendwo ist das ja der Reiz an Seoul. Man beginnt den Tag in einer der größten Einkaufsmalls der Welt, steigt aus der U-Bahn und steht in einem traditionellen Viertel mit riesigem Park und Berg drumrum, läuft ein bisschen weiter und steht auf einem der teuersten Fleckchen, die unsere Welt zu bieten hat (Myeongdonggil-1-ga), kommt weitere 500 Meter vorbei an Hochhäusern in kleine Gassen mit traditionellen Häuschen und leckeren Restaurants, kommt vorbei an zwielichtigen, abgeranzten Hintergassen, läuft vorbei an Müllbergen und Besoffenen, die auf der Straße schlafen, steigt in die klimatisierte U-Bahn und landet wieder in einem ausgestorbenen Viertel, wo einzig die Hochhäuser einen erinnern, dass hier wochentags was los ist. Und dann verweilen - den Vollmond betrachten. Einfach toll, insbesondere da der Philosophiedekan der Waedae uns seit 2 Wochen probiert beizubringen, was für eine Bedeutung der Mond in der koreanischen Gesellschaft an und was für ein heiliger Akt das Betrachten desselben ist.
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3 Kommentare:
오늘 데이트 정말 너무 즐거웠어~!^^* 좋은 추억으로 간직할꺼야~ 태성씨와 함께해서 더더욱~~~~+_+ 우리 앞으로 종종 데이트 해엥~~~!!!
Hab tatsächlich etwas verstanden *lach*
Besteht eine Möglichkeit die koreanische Version des "Pachelbel-Kanon" online zu stelle bzw. das Video zu verlinken? Würde mir das sehr gerne anschauen!
Viele Grüße aus Manchester (Bleib ne Woche länger hehe),
Tom
@Tom: Haett mir fast gedacht...dabei ist es doch nur ein langweiliges Praktikum vor dem Computer :D
@혜리: 덧글 고마워 ^.^ 지금 송편에 바나나우유 먹고 있는데...예상대로 엄청 맛있어 ㅋ 어제 수고 했다 우리 ^^
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