28.11.08

Türen schließen, Türen öffnen

Türen schließen
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Heute war ein unerwartet trauriger Tag. Seit anderthalb Wochen wusste ich, dass heute Frau Kangs letzter Tag im Overseas Marketing Team sein würde und somit ihr letzter Tag als meine Chefin. Nach mehr als anderthalb Jahren Zusammenarbeit.
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Insbesondere seit klar war, dass sie nicht mehr lange da sein würde, kurz vor meiner Abreise, kurz nach meiner Abreise und kurz nachdem ich zurückgekommen war, gab es einige Probleme verschiedenster Art, die mich teils verzweifeln ließen und teils vor Wut explodieren ließen, dass ich fast aufgehört hätte. Das Klima war über weite Strecken vergiftet und die deutsche Abteilung hat in kurzer Zeit viele Leute verschlungen, darunter auch gute Freunde von mir.
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Doch seit einiger Zeit begann sie mir wieder mehr zu vertrauen und seitdem die letzten Praktikanten weg waren und wir wieder wie früher zu zweit arbeiteten, funktionierte es wieder genau wie früher. Sicher, sie war schwanger und ich noch selbstbewusster als früher und manchmal musste man sich gegenseitig davon überzeugen, dass der andere gerade Mist baut, aber es war wieder dieses vertrauensvolle Verhältnis mit klaren Hierarchien, das ich in letzter Zeit so vermisst hatte.
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Und ich bin ganz ehrlich. Als wir heute so bei Reiskuchen rumsaßen und sie mich vor der Vertretung die ganze Zeit nur lobte und ihm klarmachte, dass ich jetzt der Chef im Haus bin, da fühlte ich mich nicht nur geschmeichelt, sondern fühlte mich sogar ziemlich schlecht, dass ich manchmal so sauer geworden bin. Irgendwie habe ich heute erst erkannt, dass sie mich die ganze Zeit noch viel mehr respektiert und wir uns viel näher waren als ich das gedacht habe.
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Und als sie so ihren Schreibtisch aus- und aufräumte, mir noch die letzten Reste von ihren schönen Postkarten zusteckte und wir weiter versuchten, so unemotional wie möglich das ganze über die Bühne zu bringen, da wurde mir noch etwas Weiteres bewusst: Was diese nach außen recht emotionslose, ja um ehrlich zu sein, fast ein bisschen schrullige Frau alles für mich getan hat.
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Ich habe ihr eine Menge zu verdanken. Zwar kann ich nicht ohne Recht auch von mir behaupten, dass ich nicht nur Kaffee getrunken und Pizza gegessen habe für mein Geld. Aber durch ihre Intervention konnte ich kostenlos nach Nordkorea reisen, habe bei vielen schönen Events im ganzen Land mitmachen können und nicht zuletzt habe ich auch immer wieder Tickets für Aufführungen und kostenlose Essen in den besten Restaurants der Stadt bekommen. Ihre letzte Wohltat ist ein Musical morgen in Myeongdong, für das ich 4 Freikarten bekommen habe.
Ein Großteil meines Bloggings wäre ohne die Unterstützung der KTO nicht möglich gewesen.
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Sicher, ein Großteil davon war auch von mir irgendwo verdient, aber trotzdem merkte ich heute, dass da was Besonderes zu Ende ging. Wer mich kennt, weiß, dass ich mit Abschieden gar nicht klar komme. Selbst wenn ich weiß, dass es ein Wiedersehen gibt. Ich werde Sie nach der Niederkunft besuchen, sie kommt in einem Jahr in die Firma zurück und wir werden uns sicher sehen. Aber das beruhigt mich irgendwie nicht. Es ist auch ganz komisch, denn wir waren uns nie persönlich so nah, wenn es auch für mich ein bewegendes Zeichen war, dass ich das Glückwunschlied auf ihrer Hochzeit singen sollte. Es war eine 100% professionelle, aber herzlich vertraute Atmosphäre. Nicht mehr, nicht weniger und dafür bin ich sehr sehr dankbar.
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Warum sieht man das Wahre eines Menschen immer erst, wenn man sich von ihm trennt, ihn nicht mehr sieht oder er sogar für immer verschwindet?
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Während die anderen wahrscheinlich noch am Lästern über Frau Kang waren, verabschiedete ich mich mit einer tiefen Verbeugung von ihr, wünschte ihr eine gute Geburt und sie wünschte mir viel Gesundheit und Erfolg. Und als hätte es das Klischee nicht besser ausdenken können, was waren ihre allerletzten Worte? "Habe dir für diesen Monat erst Mal nur 6 Stunden aufgeschrieben von heute, weil ich nicht wusste, wie lang Du heute bleibst. Ich mach noch ein Schreiben fertig, dass Du nächsten Monat die eine Stunde von heute draufkriegst", sprach sie und verschwand sichtlich bewegt wieder in der Abteilung.
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Türen öffnen
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Ganz objektiv gesehen brechen jetzt bis zu meiner Rückkehr in Deutschland goldene Zeiten an. Weil ich die letzten Wochen so viel in der Firma war, haben wir kaum noch Arbeit übrig, aber das weiß außer mir und Frau Kang niemand. Da ich auch keinen offiziellen Aufseher mehr habe, kann ich kommen und gehen, wann ich will und tun und lassen, was ich will, solange die Abteilung einigermaßen läuft. Heute wurde zwar offiziell ein Übergangshelfer eingestellt, aber der hat weder Ahnung von unserer Abteilung noch von dem, was ich mache. Das heißt, faktisch leite ich jetzt die deutsche Abteilung für 2 Wochen bis der richtige Nachfolger kommt. Wie es dann weitergeht, weiß niemand.
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4 Repräsentanten werden im Januar ausgetauscht, unser Overseas Marketing Team neu zusammengesetzt, die Büros umgestaltet und neu verteilt. Die Team-Leiter, bei denen ich mehr als nur 2 Steine im Brett habe, bleiben aber, sodass es für mich eine Zukunft geben wird - nur wie sie aussehen wird....man weiß es nicht.
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Bin ein wenig verwirrt und muss das erst Mal alles auf mich zukommen lassen. Freue mich schon auf Deutschland - auch wenn ich dank des Wechselkurs so gut wie kein echtes Geld habe, wird das doch hoffentlich erst Mal sehr entspannt. Wobei sich gerade noch eine Tür aufgetan hat, aber dazu vielleicht später mehr.
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