Langsam wird es mir unheimlich und ich glaube, dass ich jetzt weiss, warum ich nicht jedes Wochenende verreise in Korea - ich wuerde einfach nicht mehr alles in meinen Kopf bekommen, was ich an faszinierender Lokalkultur kennenlerne, an Ruhe gewinne und schliesslich muesste ich Seoul wohl fluchtartig verlassen. Ich liebe Seoul, aber die Stadt macht es mir nicht leicht, wenn man 3 Stunden suedlich Spaziergaenge in Reisfeldern, Diskutieren in Pavillons und Omokspielen in traditionellen Dorfschulen hat.
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Nach dem Stress der Anreise hatten wir schliesslich doch noch eine schoene Reise, sogar eine unvergleichlich schoene und das alles haben wir wirklich ganz und allein Herrn Prof. Sasse zu verdanken. Rein faktisch ist er der anerkannteste Koreanist Deutschlands, der auf den Nachwuchs theoretisch gelinde gesagt einfach Mal nicht achten braeuchte - ja, und wir sind ein paar kleine dumme Studenten, die nicht mal moderne Literatur vollkommen fehlerfrei uebersetzt bekommen und ihn erst seit ein paar Wochen persoenlich kennen. Das sind Zutaten, die ein fuer beide Seiten sehr gequaeltes Wochenende erzeugen koennen.
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Stattdessen wurde es einer der besten Trips meines Lebens und auch Prof. Sasse, der wenn es drauf ankommt, auch schon Mal Studenten wegschickt, scheint sich nicht voellig gelangweilt zu haben. Wir wurden wie Ehrengaeste in seinem wunderbaren traditionellen Anwesen behandelt, durften erlesene selbstgebrannte Schnaepse probieren, bekamen Marmeladen und anderes aus eigenem Anbau zu probieren und wurden koestlich unterhalten. Eine Nacht in seinem Atelier zu verbringen, nur den schwachen Schimmer des Mondes durch die Papierfenster - unvergleichlich, atemberaubend schoen.
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Und mein Entschluss, dass ich irgendwann einmal in einem Hanok leben muss, ist nur noch staerker geworden. Eine der bezeichnendsten Szenen ueberhaupt war als wir nach der Besichtigungstour wieder in den Innenhof kamen und ich gerade zur Frage ansetzen wollte, ob sich dieses Gefuehl nach Hause ins Hanok zu kommen je abnutzt.
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Doch da breitete Prof. Sasse bereits die Arme aus und ihm entfleuchte ein "aaaaaah....wunderbar".
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Momente puren Zens.
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Paradies ist wohl, wenn man vom Grossvater, Urvater und Uebervater der Koreanistik nachts um halb 2 in der Kueche seines Anwesens auf einer Gitarre zweideutige Dylan-Lieder vorgespielt bekommt. Ich dachte bis jetzt, dass es solcherlei Zusammenkuenfte nur in Geschichten gibt, die vor langer langer Zeit spielen und die meist ueber die Jahre romantisiert werden. Aber ich durfte es dieses Wochenende tatsaechlich erleben. Und ich schaetze jeden dieser Momente unglaublich hoch ein, obwohl wir uns eigentlich alle am Tisch einig waren, dass ein solches Leben der Lohn dafuer ist, dass man sich ein Leben lang gegen Widerstaende durchsetzt, nicht auf andere hoert und sein Ding durchzieht.
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Mehr zum Wochenende und Bilder (meine Kamera ist passenderweise auch noch endgueltig kaputt gegangen, aber die Maedels haben Bilder gemacht) bald auf diesem Blog und auf unserer Seite, denn das war ja ein KTO-Arbeitsbesuch, was ich nicht vergessen darf, bei all dem, was mir dieser Besuch persoenlich und akademisch gebracht hat.
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P.S: Auf ArirangTV wird man uns auch bald bewundern koennen, denn die gesamte Zeit wurden wir von einem nervigen und regelrecht dummen Fernsehteam begleitet. Ich meine, da hat ein koreanisches Fernsehteam Mal die Gelegenheit einen Professor zu filmen, der mehr ueber koreanische Kultur weiss als 90% der Koreaner und dazu interessierte Studenten, die zumindest ein bisschen tieferes Nischenwissen ihr eigen nennen. Und dann kommen Fragen wie "Wie schmeckt das Kimchi", "Findet Ihr es schoen mit Herrn Prof. Sasse herumzulaufen" und aehnliche Klassiker des investigativen und hochklassigen Journalismus.
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