Je mehr ich dieses Land bereise, desto mehr scheine ich hinter das Geheimnis zu kommen, das mich so fasziniert:
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Egal, wohin man fährt, Korea ist ein ziemlich eintöniges Land, wenn man nur die Schlagworte ansieht: Wir fahren mit dem Bus in ein kleines, halb abgeranztes, halb erstaunlich erschlossenes Städtchen. Von dort aus geht ein Bus in einen National- oder Provinzpark, der meist sehr bergig ist. Dort liegen dann verschiedene Tempel und Einsiedeleien, man wandert, erholt sich und kommt wieder raus. Dann in einem leckeren Restaurant lokale Spezialitäten kaufen und/oder essen, übernachten in einem örtlichen Motel mit bescheidenem Standard, das gut fürs Studentenbudget ist und dann wieder zurück nach Seoul.
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So einfach. Und doch so faszinierend. Je mehr man von Korea sieht, desto spannender werden Details. Wie sehen die Städtchen aus, wieviele Busse gehen dort hin, welche Geschichte hat der Tempel, was für eine regionale Spezialität gibt es hier warum, was für einen Dialekt sprechen die Leute etc. etc. Und auf dieser zweiten Ebene gibt es so viele tolle Dinge zu entdecken, so viele Feinheiten, die sich allein schon in den Menschen manifestieren, mit denen man zu tun hat.
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Und da kommen wir wieder zu so einem Punkt, der mich beschäftigt. Wie die meisten inzwischen wissen dürften, schätze ich an der koreanischen Kultur, dass sie den japanischen (gekünstelten) Minimalismus und den chinesischen Protz (auf akademisch heisst das übrigens "philosophische Überfrachtung") nicht mitmacht, sondern die Mitte findet.
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Irgendwie ist auch Korea als Land so. Man kommt in wenigen Stunden in alle Ecken, es gibt also keine ausgedehnten menschenleeren Flächen, es ist aber auch nicht so - wie ja immer wieder teils scherzhaft, teils durchaus ernsthaft behauptet wird - das ganz Korea eine einzige Stadt wäre. Es gibt genug zu entdecken für Jahre und Jahrzehnte. Sicher, es gibt keine ausgedehnten Regenwälder und Tundra, keine Steppen und keine Savanne, aber es gibt doch unterschiedliche Topographien, unterschiedliche Lebensweisen. Und dabei ist alles übersichtlich. Wenn man wirkliche Ruhe sucht, geht das, auch wenn man weit fahren muss, ansonsten hat man in jedem Provinzkaff mit 4 Häusern einen Supermarkt, ein PC-Bang, ein Motel, ein Restaurant und eine dazugehörige Bushaltestelle. Kurzum, alles, was man fürs Reisen braucht, wenn man nicht gerade Wert auf großen Komfort legt.
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Ich verneine nicht, dass es dies so ähnlich auch in anderen Ländern geben mag. Zudem genieße ich große Vorteile im Bezug aufs Reisen in Korea, das ja für mich als Koreanisch- und Koreakundigen ein "Reiskuchenessen im Liegen" ist. Irgendwie aber finde ich es faszinierend, das mir das reicht. Ich habe kaum Interesse andere Ecken der Welt zu sehen und werde dadurch immer gleich als intolerant oder koreaverbohrt gebrandmarkt. Mag sein, aber ich bin durchaus zufrieden damit "Frosch im Brunnen" zu sein und die Feinheiten dieser einen Kultur zu erkunden, anstatt in 100 Ländern gewesen zu sein und doch nichts gesehen zu haben. Sicher, auch hier kommt es auf die Balance an, aber ich werde nie um jeden Preis ein Ländersammler werden.
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Warum ich das schreibe? Ich war mit Nico über Ostern spontan in Busan und Jirisan, in Jirisan zum ersten Mal überhaupt und es war einfach unglaublich. Obwohl wir nur knapp anderthalb Kilometer in den Nationalpark rein sind, war es wieder wie eine andere Welt, der Dialekt an der Grenze zwischen Gyeongsang und Jeolla, die nebelverhangenen Gipfel, die brennende Sonne im Tal, das unglaubliche Hanu-Bulgogi, das wir gegessen haben, die kleinen verschlafenen Städtchen, der wilde Tee, die Blütenpracht und und und.
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Fotos davon gibt es dann demnächst, wobei mir der zweite Tag in Busan und der erste Abend in Hwagae leider durch meine blöde Kamera abhanden gekommen sind - aber die Gedanken von der Busfahrt zurück mussten gleich raus in die Welt.
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2 Kommentare:
Geht mir ähnlich. Ich muss den Ort kennen, verstehen, wo ich lebe. Geschichte unter den Füßen, warum sieht die Landschaft so aus, wie man sie vorfindet? Dann wirkt alles schon anders.
Letztens habe ich zum Beispiel ein dickes Buch über den Imjin-Krieg gelesen. Danach habe ich erst mal alle Bergwinkel nach strategischen Gesichtspunkten bewertet, die alten Japanerfestungen in der Nähe besucht. Und so geht es weiter.
Übrigens kommt mir Korea nicht so klein vor. Die Fahrt nach Seoul von Busan aus, mit dem Auto, ist schon lang. Vor allem mit Familie, in zwei Jahren waren noch nicht dort, nur Flughafen. Nächstes Mal macht doch einen Abstecher zu uns nach Gimhae.
Gerne, dann lernt man sich Mal direkt kennen!
Und nebenbei: Lese ja deinen Blog insbesondere in Hinsicht auf die archaeologischen Entdeckungen mit grosser Freude und wollte unbedingt mein Uniwissen ueber Gaya Mal vor Ort auffrischen (wo ausser in Gimhae hat man dazu schon die Chance :D)
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