Langsam wirds wirklich unheimlich wie die Zufälle in Seoul so spielen. Am Vormittag war ich auf einer gemeinsamen Konferenz der KU und FU mit dem Wiedervereinigungsminister und allen möglichen Professoren - auch unser Institut war mit Prof. Lee und ihren beiden Adjutanten Herrn Ballbach und Herrn Mosler vertreten. Nur Herr Brochlos war leider nicht da.
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Nachdem ich mittags schnell zurück in die Firma eilte, ein wenig arbeitete und schließlich gegen kurz vor sieben Feierabend machte, ging es zum Bus nach Hause. Nach langer Zeit Mal wieder vor 8 zuhause, genialer Tag.
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Denkste.
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Ich laufe also so und wer läuft mir förmlich fast ins Gesicht - Herr Dr. Brochlos, der mich durch die 3 Jahre Uni-Bürokratie gelotst hat und immer mehr als ein reiner Hochschullehrer für mich war.
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Dr. Brochlos und ich beschlossen dann zum Oktoberfest zu gehen, einer deutschesken Kneipe in Jonggak, wo die Hanns-Seidel-Stiftung eingeladen hatte. Also eingeladen war ich nicht, aber wir sind ja eine große Familie.
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Und da nahm der Tag dann die nächste Wendung: Ein Drittel der Anwesenden war ursprünglich aus Nordkorea. Neue Einsichten, Kontakte, Schicksale, Hoffnungen. Und im Gegensatz zu den meisten Stories, die man so hört, konnten die hier versammelten alle einigermaßen Englisch und waren in guten Universitäten oder sogar in Firmen aktiv. So lernte ich einen Seonbae (also Semesterhöheren) aus meiner Uni kennen, jemand, der im Marketing arbeitete und irgendwie war da wieder dieses Gefühl, was ich in Nordkorea schon teilweise gespürt hatte: Nordkoreaner sind meist sehr herzlich und offen. Auch haben sie eine analytische und argumentative Methode, die m.E. der deutschen näher liegt als die südkoreanische. Sehr interessant auf jeden Fall.
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Vom Hungernden in Nordkorea zum Waldarbeiter in Russland zum Marketing-Angestellten in einer weltweit agierenden Firma in Südkorea. Vom Pseudo-Bonzenkind in Deutschland zu einem Marketing-Angestellten in einer weltweit agierenden Regierungsbehörde in Südkorea. So unterschiedlich die Wege und so unvorhersehbar. Umso spannender, wenn sich diese Wege kreuzen und man plötzlich merkt, wieviel gemeinsames man als Mensch hat.
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Und was besonders witzig ist: Die Nordkoreaner sind unglaublich dankbar, dass jemand 1. Interesse zeigt 2. Wissen über die Lage hat und 3. sich auch traut direkte Fragen zu stellen. War besonders frappierend, weil am Tisch auch mit der Situation unvertraute, einfache Südkoreaner waren, denen man z.B. erklären musste, dass nach südkoreanischer Verfassung die Nordkoreaner auch südkoreanische Bürger sind und dass die Arbeiter in Gaeseong nicht den vollen Lohn direkt erhalten. Man sieht bei solchen Gesprächen den Nordis die Verzweiflung über die Ignoranz bei ihren sogennanten Brüdern fast an.
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Es müsste jeden Abend, in jedem Viertel, in jeder Stadt so einen Abend geben.
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Was ich besonders beeindruckend fand, war die einfache Logik eines Teilnehmers, der sich vehement gegen jegliche sogenannte humanitäre Lieferungen aussprach. Die gingen eh alle zum Militär, das wirklich notleidende Volk bekomme davon kein Stück. Die einzige Methode das Regime zu destabilisieren sei die Lebensmittellieferungen auszusetzen, weil dann das Militär unruhig wird. Zusammengefasst also: "Ob nun Lieferungen oder keine, das Volk hungert. Aber ohne Lieferungen hat das Volk eine Chance auf ein Ende des Hungerns."
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Ob das so einfach ist, sei dahingestellt. Ich höre aber eher auf solch eine Stimme als auf die eines intellektuellen Sonnenschein-Bürokraten im Süden, der stolz vorrechnet wieviel finanzielle Unterstützung man dem Volk im Norden zukommen lassen habe.
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1 Kommentar:
Zum Unterschied der Trennung Europa und Trennung Korea: In Bulgarien wurde auch auf "Republikflüchtlinge" (DDR) geschossen.
In Korea versuchen ehemalige nordkoreanische Familienmitglieder ihre Angehörigen freizukaufen (Bestechung).
Meiner Meinung nach in Zukunft ein wichtiger Faktor. Zumal die Zahlen steigen, langsam. Was wollen die Menschen, die es betrifft? Die Politik: Diplomatie, pah.
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