23.11.09

Traditionelle Proteste

Ich glaub, was mich am meisten aufregt in Korea sind diese ritualisierten Proteste. Heute sollte der erste Tag des neuen KBS-Präsidenten werden. Er ist ein Kampagnen-Mitarbeiter aus Lee MBs Wahlkampagne und war schon einmal KBS-Chef.
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Aber wenn das irgendwas zu sagen hätte, dann wär es ja kein Ritual: Es kommt gar nicht auf den Präsidenten an. Weder auf den Staatspräsidenten noch auf den KBS-Präsidenten. Wie die Produzenten hier gelangweilt erzählen, passiert das bei jedem Präsidenten. Ob links oder rechts. Den Gewerkschaften kann man es halt nie Recht machen. Wobei dieses Jahr die Proteste wohl die kleinsten seit der Regierung Kim Young-sam gewesen sein sollen.
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Aber genauso stur lässt es der Kandidat auch immer auf eine Konfrontation an der Haupttür ankommen, um nicht als Drückeberger zu gelten, wenn er den Nebeneingang benutzt. Gleichzeitig ist er nicht so mutig, allein durchzugehen - würde er von den Gewerkschaftlern verletzt, würden sie jegliche Legitimation verlieren und unverzüglich festgenommen werden. Würde der Präsident also allein ins Gebäude gehen, wäre die Situation einfach zu beheben, da auch die Gewerkschaften eine solche Konfrontation wahrscheinlich scheuen würden.
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Und um dieses vermeintliche Gleichgewicht der Kräfte zu wahren, kommt es also alle 3 Jahre zur gleichen Aufstellung: In der Mitte der Kandidat mit den Bodyguards, drumherum die KBS-Sicherheitskräfte, da drumherum die Gewerkschafter, da drumherum die Medien und da drumherum dann die Schaulustigen.
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Der Präsident versucht es drei bis fünf Mal reinzukommen (ist bisschen wie beim Oktoberfest, wo es ja auch auf die Anzahl der Versuche beim Anzapfen ankommt), wird abgewiesen und wird schließlich doch irgendwie reinkommen.
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Ein Kommentator von der Gewerkschaft heizt die Leute ein, die die Polizei zurückdrängen, die Polizei kommt von vornherein nur in kleiner Mannschaftsstärke (sonst würde man ja gewinnen...). Es kommt zu keinen Festnahmen oder Konsequenzen, obwohl die Gewerkschafter sich illegalerweise vom Arbeitsplatz entfernt haben.
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Im Hintergrund sind so illustre Gruppen wie die "Vereinigte Volksunion für ein Vereintes Vaterland / Abteilung Süd" (ich denk mir das nicht aus: 조국통일범국민연합 / 남측본부) und verteilt Luxus-Kekse an die Gewerkschafter. Die Gewerkschaftsführer, die neben dem Kommentator stehen, trinken Starbucks-Kaffee und haben Heizstrahler, damit es nicht so kalt wird auf Dauer.
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Es kotzt mich einfach nur an, dass eine Gesellschaft ritualisierten Schwanzvergleich so zelebriert, auch wenn natürlich die Mehrheit der Menschen es einfach ignoriert und lächerlich findet.
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Update: Jetzt ist er doch drin. Die Gewerkschaft war grad Mittagessen. LOL. So ein Haufen von Deppen. Die gesamte Führungsetage von KBS, viele hochrangigen Produzenten haben sich an der Treppe postiert und eine Gasse gebildet, um ihn reinzulassen. Das nenne ich mal eine Machtdemonstration. Sowas hat es wohl noch nicht gegeben. Als die Gewerkschaftler dann anfingen auch auf den Vorstand loszugehen, brachte die Polizei den neuen Präsidenten geschickt rechts vorbei (keine ideologische Anspielung..lol) ins Gebäude. Wohl doch nicht ganz so ritualisiert wie wir angenommen haben.
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Aber die Gewerkschaftsführer waren auch viel zu beschäftigt in der Mittagspause bei Il Mare rumzuscherzen. Mit vollem Bauch revolutioniert es sich halt nicht so gut. Haette eh nicht mehr lange angehalten der Protest, man ist schliesslich im Basiscamp schon von Starbucks auf Ediya Coffee umgestiegen.

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