Ich war ja nie der grosse Projektarbeiter. Durch die Arbeit und jetzt die Uni habe ich mich aber daran gewoehnt, auch mit anderen zusammenarbeiten. Mein professioneller Autismus ist auf sozial akzeptiertes Niveau zurueckgegangen.
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Heute war aber wieder so ein Vorfall. Seit 3 Wochen sitzen wir an unserem Referat. Seit drei Wochen haben wir jeden kleinen Klitzefehler korrigiert. Heute hole ich das 70-Seiten-Handout von der Druckerei ab und was sehe ich: Der Titel ist falsch. Eines unserer vier Themen ist Konstitutionalismus (헌정주의), auf dem Titelblatt steht aber dick in Schriftgroesse 72 Verfassungismus (헌법주의). Autsch. Wir also in den letzten 5 Minuten vor Referat durch alle 42 Handouts und die Silbe nachgemalt.
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Naja, Ich hatte den Fehler vorher auch nicht bemerkt, insofern nichts gegen Projektarbeit an sich, aber es zeigt Mal wieder, dass auch 10 Augen nicht unbedingt mehr sehen als zwei. Und auch das Korrigieren geht nicht schneller, wenn man nur 1 Tipp-Ex-Stift hat..lol.
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Jetzt sitze ich gerade im Kurs, wir halten unser Referat und die Haelfte der Studenten inklusive Professor schlafen - auch daran muss man sich gewoehnen, wenn man in Korea studiert. Allerdings sind Wahlgebietsreformen und Parteienklassifizierungen auch nicht so das spannendste Thema, muss ich selbst zugeben.
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9 Kommentare:
70-Seiten Handout??? Was ist das denn für ein Referat? Ich denke da grad an meinen "1 bis maximal 2 Seiten Handout"-Prof....
Oder schreibt ihr da eine Zusammenfassung von den Büchern über die ihr referiert, damit die hinterher keiner komplett lesen muß und sich mit dem Handout auf die Klausur vorbereiten kann?
Naja, also der Prof. gibt erst Mal eine Liste mit "Pflichtlektuere" (10-20 Aufsaetze, 3-4 Buecher), die muessen nur die normalen Leute lesen. Dazu kommt "Empfohlene Lektuere" (20-30 Aufsaetze, 5-7 Buecher), die muss das Referatteam auch noch lesen. Und dann mag der Prof. es gern, wenn man noch ein paar Fallbeispiele und seine Buecher dazu liest.
Das fasst man dann zusammen, konzentriert sich dabei schon auf Zusammenfassungen (die wiederum wahrscheinlich Zusammenfassungen von Zusammenfassungen sind), weil ja niemand - nicht mal in einer 6-er Referatsgruppe - ernsthaft mitten im Semester 50 Aufsaetze und 11 Buecher verteilen, exerpieren und dann sinnvoll zu nem Referat zusammenklatschen kann.
Dementsprechend patscht man einen Haufen von Sekundaerliteratur, ein paar gute Zitate, ein paar Zusammenfassungen aus anderen Semestern zusammen, liest die wichtigen Standardwerke wirklich und schreibt die Zusammenfassungen dann selbst, fuegt noch ein paar Fallbeispiele dazu und dann hat man ganz schnell 70 Seiten... (Schriftgroesse 10, Koreanisch!)
Das Referat dauert dann 60-90 Minuten. Die PPT ist alleine schon 140-180 Folien lang - wie gesagt, ich kann verstehen, wenn man da einschlaeft.
Es ist schon eine grosse Hilfe, weil wir im Core-Unterricht ja wirklich ALLES durchnehmen, was relevant ist (Demokratisierung bis Wahlrecht, Verfassungsdesign bis Entwicklungsmodelle, Gleichberechtigung bis Internationale Diplomatie, Arbeitsmarktpolitik bis Mediengesetzgebung)
und wenn man da die wichtigsten Konzepte aus jedem Bereich zusammengefasst hat, ist das schon sehr hilfreich fuer den Rest des Studiums.
P.S: Klausuren gibt es in der Graduate School ganz selten - Entweder viele Referate oder ein Full Paper ist die Semesterleistung (meist beides, leider...)
Mich wuerden mal die Unterscheide deines Masterkurses zu denen in anderen Faechern, Unis und im Vergleich zu Deutschland interesieren.
Vielleicht habe ich das falsche Fach oder die falsche Uni in Korea gewaehlt. Bei uns siehts ab Master so aus. Von morgens 9 Uhr bis abends 9 Uhr in der Uni (ist nicht strikt 9 Uhr, man kann auch etwas frueher), Vollzeit trotzdem. Part-time Job erlaubt aber nur ausserhalb der Zeit die man an der Uni sein muss. 5 Tage Urlaub pro Semester. Semesterferien oder so gibst nicht. Ein kleines Gehalt gibts antuerlich vom Labor.
Ich wundere mich nun also sehr wie du (und auch Gitte) die Zeit habt nebenbei zu arbeiten und staendig Urlaub zu machen? Es sei denn du machst ne extra Wurst...oder hast nen Auslaenderbonus...oder wie auch immer...du sprichts von Arbeit und Studium, aber zu 100% scheinst du beides nicht zu machen...
wundert sich dein Professor nicht wo sein Student ist? oder hast du keinen Supervisor?
Ich mache auf Ingineur, die Unterschiede zu den Geisteswissenschaften scheinen gross zu sein...
Superwas? Es gab Mal Probleme, weil ich aussercurriculare Aktivitaeten am Anfang wg. Arbeit nicht mitgemacht habe, aber das ist jetzt auch alles geklaert...
Man hat halt ganz normal seine Kurse und die damit zusammenhaengenden Projekte plus Saufen, wenn dem Prof. langweilig ist oder es Konferenzen gibt oder so.
Sicher, manchmal ist man von 9 Uhr morgens bis 11 Uhr abends in der Uni, dann gibts aber auch wieder ne Vielzahl an Tagen, an denen es von 2 Uhr nachmittags bis 17 Uhr ist...Punkt.
Bei uns wird schon viel Wert auf Lernen gelegt, aber wir haben eben keine "Labore" in den Politikwissenschaften, solange man keine wissenschaftliche Karriere an der Uni machen will, wird man auch relativ in Ruhe gelassen.
Der Doktorandenkurs kommt dem, was du beschreibst, noch am ehesten nahe. Aber selbst da haben die Auslaender ein paar Freiheiten.
Aber bei uns im Master gibt es sogar Leute, die schon Kinder erziehen muessen...Man ist da ziemlich frei.
Im uebrigen bekommen wir ueberhaupt kein Geld und muessen teils sogar noch die Studiengebuehren teilweise verdienen - also muss man auch Freizeitarbeit erlauben.
Und zum Urlaub: Habt ihr keine Semesterferien?!!? Wo verreise ich denn staendig? Eigentlich nur waehrend der Semesterferien...
ja, da scheint es bei den ingineuren wirklich anders zu laufen.
wie gesagt bei uns gibst nur, also zusammen aufs jahr gerechnet 10 tage urlaub (da ist mal einfach so nach D ueber weihnachten, oder im sommer mal wo hin nicht moeglich), gehalt reicht auch grad mal zum ueberleben und studiengebuehren muss man auch selbst bezahlen...zeit zum arbeiten nebenbei bleibt kaum...
auslaenderbonus gibts nicht, wenn du den war nimmst bist du bei den anderen studenten unten durch...generell gibts entweder den koreanisch weg dinge zu machen oder gar keinen...
und wenn du in einer koreanischen firma arbeitest, wirds erst richtig krass...
so sieht eine andere, vielleicht so gar die wirkliche realitaet in korea aus...
ich war immer ueberrascht von euren (Gitte und so) uni erfahrungen...es gibt dinge die gleich sind und dann doch wieder so verschieden...
Ich moechte dich jetzt echt nicht provozieren, aber "deine" Realitaet ist halt auch nur eine.
An welcher Uni bist du denn?
Wie gesagt, ich bin in einer Firma, sogar in mehreren - da hat man Auslaenderbonus, ohne unten durch zu sein - es kommt aber ebenso wie beim Fach und der Uni auch auf die Branche und die konkrete Firma an.
Hallo Jan, danke für die ausführliche Antwort!
Klar - bei einem geisteswissenschaftlichen Studium ist man nicht ans Labor gebunden. Ebenso häufig aber nachts an seinen Schreibtisch zu Hause...
ja, da hast du schon recht...
was ich meinte war eigentlich nur, dass korea, wenn mal voll integriert ist oder sein moechte, vielleicht nicht immer die freiheiten/moeglichkeiten die du beschreibst bietet. das meine ich nicht als kritik an dir, sondern ich sehe korea vielleicht etwas kritischer als du, weil ich es anderes kennengelernt habe...
so nun aber schluss...
Schluss is, wenn der Papa gesprochen hat :D
Kommt sicher in dem Blog nicht rueber, aber ja ich stimme dir zu: Als geborener Durchschnittskoreaner wuerde mir das Land auch nicht so dolle gefallen...
Vieles von der Liebe, die ich dem Land entgegen bringe, kommt aus meinem westlichen Gedankengut (koreanische Traditionen sind toll, Hanoks sind so wissenschaftlich etc.) und mein Leben hier ist so verdammt angenehm, weil ich viele Chancen bekomme, die ich in Dtl. nicht bekommen haette und gut behandelt werde...
Ich SEHE die kritischen Seiten trotzdem und kann mir gut vorstellen, wie das an deiner Uni abgeht. Und trotzdem finde ich immer die Relationen wichtig. Ich mag es schlicht nicht wie manche Leute aus Korea die Hoelle auf Erden machen, weil die Leute nem grossen Druck ausgesetzt sind, viel arbeiten und alles chaotisch und fuer uns "rueckstaendig" ist.
Wie waere es eigentlich, wenn du auch Mal nen Blog schreibst? Gerade so als Gegenstimme aus der deutschen Blogosphaere waere das doch super interessant. Wir brauchen Verstaerkung ^^ Du wirst ja bestimmt nicht von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends ohne Internet voll in Action sein oder? ^^
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