22.3.10

Bullenkampffestival in Cheongdo

Am Wochenende war ich für die KTO und mit Sarah (K.) in Cheongdo, etwa 20 Minuten südöstlich von Daegu gelegen. Obwohl gut angeschlossen inzwischen mit schöner Autobahn, ist das Kaff selbst einigermaßen in der Zeit stehen gelieben. Wie so oft auf dem Land sieht man, dass hier viel versucht wird, aber irgendwie scheint alles auf halber Strecke stehen gelieben zu sein. Das ganze Land ist eine einzige Baustelle. Riesige Seniorenzentren, die es in dieser Ausführung nicht mal in Berlin gibt, stehen auf der Wiese, süße kleine Parks werden angelegt, aber dazwischen immer wieder Schotterpisten und alte Hütten. Kräutergärten zwischen neuen Geschäftshäusern. Bei den Hütten ist es allerdings so, dass sich viele der Bewohner schlicht nicht überzeugen lassen, diese zu renovieren, selbst wenn die Verwaltung oder Verwandte das nötige Geld dafür geben. Aber Stadtentwicklung auf dem Land soll nicht das Thema sein, ich schweife schon wieder ab.
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Zeitmaschine
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Nicht nur das Stadtbild, sondern auch die ganze Stimmung ist in den 70ern stehengeblieben. Auf die Saemaeul-Bewegung (von Park Chung Hee gegründet) ist man besonders stolz, ruft sich zum Ursprungsort der Bewegung aus. Sicher, die Saemaeul-Bewegung ist tatsächlich eine der besseren Erfindungen der koreanischen Geschichte, aber der Geschmack von Volkserziehung und Massenorganisation bleibt halt doch. Im Stadion dann zwei große Ausstellungen, die eine mit Kalligraphien Park Chung-hees (künstlerischer Wert ist doch höchst bestreitbar) und eine mit Fotos von der Saemaeul-Bewegung, aber auch ein Haufen Park. Dann im Stadion "Willkommen in Cheongdo. Schön, dass Sie sich an diesem bedeutenden Tag, dem Tag des Anti-Kommunismus, hier eingefunden haben."
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Die Stimmung ist klar, aber trotzem alle ganz lustig und locker und nett. Einmal solche ideologischen Dinge aussen vor. Jedes Mal, wenn ich aufs Land fahre, weiss ich wieder, warum ich Korea so toll finde. Die auf dem Land leben mit halb so viel Wohlstand, aber mindestens doppelt und dreifach so entspannt, locker und gluecklich wie die verbissenen Städter. Doch ich schweife schon wieder ab.
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Bullenkämpfen?
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Bullenkampf ist ein traditionelles Freizeitvergnügen zwischen Dörfern, belegt bis in die Beginne der Joseon-Dynastie. Ähnlich wie Ssireum wurde es später, nach Gründung der Republik Korea vereinheitlicht mit Regeln und allem drum und dran. Im Gegensatz zum blutigen Stierkampf in Spanien, kämpfen hier Bullen gegeneinander, ohne menschliche Einmischung. Blut fließt manchmal, aber nicht oft und nicht viel. Der Reiz liegt in der extremen Kraft der Bullen, die ungebremst aufeinander trifft. Bis zu 30-40 Minuten dauern manche Kämpfe, manchmal passiert mehrere Minuten lang nichts Sichtbares und dann ganz plötzlich explodiert die Spannung und der Kampf findet ein Ende, indem einer der Bullen schlicht wegläuft. Dann fangen die Trainer den Sieger ein, weil der natürlich noch ganz wild ist, den Verlierer weiter zu verhauen (soviel zur Wirksamkeit von Demutsgesten bei Tieren). Kurzgefasst: Ein supertolles Spektakel, aber natürlich nur für Leute, die nichts dagegen haben, dass Tiere gegeneinander antreten müssen zur Belustigung von Menschen. Vom Prinzip ist es aber nichts anderes als Boxen, nur dass die Bullen es nicht freiwillig machen. Andererseits hat so ein Kampfbulle (Gewicht zwischen 600 und 1300 Kg), gefüttert mit Öko-Futter, Makgeolli, massiert vom Besitzer und mit einer Lebensspanne, die 3 Mal höher ist als bei Schlachtrindern sicher das bestmögliche Leben für ein landwirtschaftliches Nutztier. Zwischen den Turnieren liegen oft Wochen, in denen die Rinder ausser Fressen und Spazierengehen nichts tun müssen.
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Das Fest
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Uff. Menschenmassen. 15.000 Menschen im Stadion, weitere zehntausende Menschen draußen.
Dutzende Fressstände, Kunsthandwerk, Ausstellungen etc. Wunderbar, wenn man zwischen den Kämpfen etwas anderes erleben will. Man kann bei den Bullen und ihren Trainern vorbeischauen, sich Kunst anschauen, Volksmusikgejaule anhören, Bullenreiten etc. Kurz: Für jeden ist was dabei.
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Besonders schön war am Vorabend das buddhistische Lichterfest am Fluss, das eigentlich gar nicht zum eigentlichen Festival gehört. Das Fest war eher für die Dorfgemeinschaft, aber wir wurden auch sehr freundlich aufgenommen im Saufzelt. Eine Bühne, viele schöne Laternen, Feuerwerk und viel zu trinken. Mehr braucht man nicht zum Glücklichsein.
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Wie so oft nimmt man sich vor nach solchen Reisen öfter aufs Land zu fahren. Und tut es dann doch nicht. Ich muss endlich mein Hanok auf dem Land bauen. Es gibt in Cheongdo inzwischen sogar ein Cafe mit westlichem Kaffee und ein Paris Baguette Cafe mit leckeren Bagels.
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Cheongdo

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