2.1.09

Als Tourist in Deutschland

So, bin jetzt geschlagene 14 Tage wieder in Deutschland und habe ein in vielfacher Hinsicht gemischtes Verhältnis zu dem, was einmal meine einzige Heimat war und mir in letzter Zeit immer fremder wird. Trotzdem genieße ich den Fronturlaub und das Ausspannen mit alten Freunden und meiner Familie. Heimaten kann man eine Menge haben; Familie und Erinnerungen an den Ort, wo ich aufgewachsen bin, davon hab ich nur jeweils eine und diese Erinnerungen und Bindungen werden doch insbesondere dann wach, wenn man Weihnachten und Neujahr dort feiert, wo man vor 10 Jahren noch große Pläne schmiedete, sein ganzes Leben zu bleiben.
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Dieses Mal ist es wieder etwas Neues gewesen, nach Deutschland zu kommen, da ich eine klare Zeitperspektive habe wielange ich hier bin und weiß, dass es wiederum das letzte Mal für ca. ein Jahr sein wird. Und abgesehen davon reise ich derzeit mit meiner koreanischen Freundin Hyeri durch Berlin, was den Aufenthalt automatisch touristischer macht als er sonst ausgefallen wäre. Dies wiederum finde ich sehr lustig, weil ich so wieder einmal in Museen und Galerien hier komme, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Und man kommt einfach nicht umhin, auf die Unterschiede hinzuweisen, da ich mich inzwischen doch sehr stark mit meiner Arbeit bei der KTO identifiziere und viele Berichte, Bücher und Fachliches zur Tourismusbranche oder auch gern dem Unwort "Hospitality" aufgesogen habe.
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"Der mit der Thailänderin"
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Was mich am Abstand am meisten nervt, ist der indirekte Rassismus in Deutschland bzw. Berlin. Als nicht gerade schlanker Westler mit Asiatin durch Berlin zu laufen, scheint nicht möglich zu sein, ohne sich von alt und jung entweder mit Blicken - oder wie auch schon passiert, verbal - zum Kauf der kleinen Thailänderin gratulieren zu lassen. Auch in normaler Lautstärke auf Koreanisch mit Hyeri in Warteschlangen oder auf offener Straße zu reden, führt in Deutschland zu schiefen Blicken, wo man sie als normaler Deutscher niemals erwarten würde. Auch zu beobachten wie rücksichtslos und rüpelhaft man mit unsicheren Ausländern in Deutschland umgeht, schlägt mir die Schamesröte ins Gesicht und ist sehr schockierend für Hyeri, die ja durch ihr Germanistik-Studium von Professoren, die in den 80ern in Deutschland waren, gehört hat, dass Deutschland so quasi das Paradies auf Erden sei, wo jeder mit dem auswenig gelernten Faust parlieren kann.
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Und diese sehr unfreundliche Behandlung finde ich doch sehr im Gegensatz zu Korea, wo es meist eine nicht weniger aufdringliche, aber eher neugierige Aufmerksamkeit ist, die man geschenkt bekommt, merkt man in Berlin doch eher ablehnende Haltung - und zwar ganz egal, ob in Kreuzberg, Friedrichshain, Charlottenburg oder Zehlendorf. Ich will nicht werten oder vergleichen, aber ich hätte niemals gedacht, dass eine so durch und durch multikulturelle Stadt einer Nichtigkeit so große Aufmerksamkeit schenkt. Mich nervt die Aufdringlichkeit in der Neugier auch sehr, wenn wieder mal jemand seine drei Brocken Englisch in Seoul an mir ausprobieren möchte und ganz enttäuscht ist, weil ich fließend Koreanisch rede und sie macht mir oft zu schaffen; aber immer noch besser als gleich angepöbelt zu werden, weil man beim Bezahlen nicht schnell genug die Centstücke zusammenkriegt.
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Change the Exchange
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Richtig blöd ist natürlich auch der Wechselkurs im Moment, der mich, der alles in Won umrechnet, weil das meiste Geld, was ich habe in dieser schwachen Währung gebucht ist, doch arg nervt. Aber auch ohne diesen finde ich Berlin unverschämt überteuert, insbesondere was Museen und andere Sehenswürdigkeiten angeht. Gleiches gilt für kulturelle Unternehmungen, was den meisten in unserem Alter nicht auffällt, weil wir als Studenten immerhin noch Rabatte bekommen. Wie mir aufgefallen ist, liegt der gefühlte Preisunterschied zwischen Korea und Deutschland oft daran, dass man Kategorisierung anders vornimmt: In Korea gibt es meist nur 2-4 Preisklassen, in Berliner Opern hingegen bis zu 6. Das führt dazu, dass man in Berlin letzte Reihe hinter der Säule als Student mit einem Arm für 6 Euro in die Oper kommt; für den Normalbürger gibt es aber im direkten Vergleich glaube ich keine großen Unterschiede. Die kommt dann gerade was Oper angeht aber sicher vielfach in der Qualität, weil die guten koreanischen Sänger und Musiker ja alle in Europa untergebracht sind.
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Zurück zu den Preisen; sicher, das Kulturangebot Berlins ist breit gefächert und es gibt einige wirkliche SehensWÜRDIGkeiten, doch was teils für horrende Preise genommen werden, ist wirklich nicht zu glauben. 12 Euro für eine Tageskarte im wirklich nicht allzu ansehnlichen Schloss Charlottenburg oder 4,50 Euro für eine nicht unbedingt weltklassige Gemäldegalerie sind einfach nicht gerechtfertigt. Auch die Informationsservices sind längst nicht auf der Höhe der Zeit und nicht vereinheitlicht; Auskünfte, die man erhält sind nicht verlässlich und oft nicht aktuell.
Dafür ist das Berlin-Marketing sehr ausgeklügelt - und wie jeder weiß, der sich ein bisschen mit der Entstehung und der Aufrechterhaltung von Tourismusstandorten beschäftigt; mindestens 50% des Tourismus ist Marketing bzw. pure Vermarktung.
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Der Rest
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Spannend ist allerdings auch die Finanzkrise hier zu beobachten. Ich bin ja nach Korea gegangen als davon noch relativ wenig zu spüren war. Es gab den einen oder anderen Artikel drüber, aber Deutschland befand sich ja gefühlt im zweiten Wirtschaftswunder, real immerhin in einem temporären Aufschwung. Beeindruckend ist, wenn ich überlege, dass vor 4 Monaten in der Drakestraße hier in Steglitz noch Angebote für Aushilfen hingen - inzwischen sind 4 der alteingesessenen Geschäfte auf einem Streifen von 200 Metern pleite gegangen und stehen gähnend leer.
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Einzig der Benzinpreis macht in einer solchen Lage Spaß; jeden Morgen gucke ich aus dem Fenster und warte freudig darauf, dass er unter 1 Euro sinkt.
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Ansonsten ist Berlin wie es immer war - grün, viele verschiedene Kulturen und Küchen, wobei von diesen gefühlte 170 zu Silvester hier Krieg gespielt haben, nachts ist es erschreckend dunkel, immer ist es erschreckend leer, dabei aber auf eine provinziell-verschlafene Art sympathisch. Ich hab ja immer gesagt; würde Berlin nicht so einen auf Weltstadt machen, wäre mir die Stadt als Stadt sehr sympathisch. Als Tourist ist Berlin aber sicher trotz allem ein schöner Spielplatz und ich genieße die Abwechslung durchaus in vollen Zügen.
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5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Willkommen zurück und ein frohes Neues! :)

Was die Preise angeht, gebe ich allerdings zu bedenken, dass Berlin da sicher immer noch unter dem bundesdeutschen Schnitt liegt; im persönlichen Vergleich zum Rheinland z.B. schneidet Berlin da sehr gut ab.

Über Eintrittspreise für Kultur lässt sich sicherlich streiten aber auch da muss man wohl mit sehen, dass die staatlichen Zuschüsse vermutlich kaum reichen und bestimmte Ausstellungen oder die Instandhaltung etc. anders wahrscheinlich kaum finanzierbar wären.

Was die "schiefen Blicke" angeht: Kann es nicht sein, dass viele dieser Blicke auf einen ähnliche Art neugierig sind, wie es auch in Korea der Fall ist? Die Deutschen gucken halt oft einfach nicht freundlich... :) Zumindest über neugierige Blicke beim fließend Koreanisch-sprechen brauchst du dich ja auch in Berlin nicht zu wundern... :) Meine persönlichen Erfahrungen mit den Berlinern sind jedenfalls recht positiv; ich selbst wurde noch nie irgendwo wirklich angeraunzt. Abgesehen davon mag ich den bisweilen etwas kauzig-derben Humor hier. Und den habe ich bei der Arbeit den ganzen Tag. :)

Abgesehen davon macht es Korea dir durch deine Fähigkeiten und Kenntnisse und den daraus erwachsenden Privilegien natürlich bestimmt leichter. Hier ist man dann doch eher einer unter vielen. Und wenn du dann auch noch so langsam mit den Centstücken bist... *g*

Vielleicht machst du ja gerade eine Art "kulturelle Adoleszenz" durch... da gehört ja auch das Rebellieren gegenüber dem/n "Alten" dazu... *g* Und bist in ein paar Jahren mit beiden Welten versöhnt... :)

Genieß mal Berlin weiter in vollen Zügen; ich tu's auch. :) Und demnächst dann auch wieder Korea. Und vielleicht klappt das auch in ein paar Wochen gemeinsam... :)

Anonym hat gesagt…

als übergewichtiger europäer mit asiatischer freundin wirst du immer erst schief angeschaut - in korea genauso wie in deutschland denn der gedanke der dahintersteckt ist bei beiden gleich. da wirst du dich dran wohl gewöhnen müssen - oder wieder mit dem training anfangen um zumindest dem klischee entgegen zu arbeiten.

Anonym hat gesagt…

Wie du vielleicht weißt, habe ich eine koreanische Freundin, die hat erst ein halbes Jahr in Berlin gewohnt und studiert jetzt in Hamburg. Sie hat mich außerdem im tiefen Osten und jetzt Weihnachten auch in meiner früheren Heimat im tiefen Westen besucht. In jeder Stadt waren wir natürlich auch ganz normal in der City.
Ich hatte nie das Gefühl besonders aufzufallen oder schief angeguckt zu werden. Angesprochen wurde ich wegen meiner Freundin auch noch nie. Außerdem hat sie sich noch nie schlecht behandelt gefühlt in Deutschland, wenn sie zum Beispiel nach dem Weg gefragt hat, wurde ihr immer sehr gerne geholfen und die Leute haben es auch nochmal wiederholt, wenn sie das Deutsche nicht so schnell verstehen konnte.

Ich bin schlanker als du, aber das wird nicht der einzige Grund sein, ich denke deine ganze Art ist schon anders als meine. Du würdest bestimmt auch mit einer deutschen Freundin mehr auffallen als ich und mehr Blicke bekommen, wenn du dich dann natürlich noch mit ihr in einer Fremdsprache unterhälst erst recht ;)
Wahrscheinlich hast du auch einfach bewusst mehr drauf geachtet, wie die anderen Leute auf euch reagieren. Wenn du mal alleine durch Berlin läufst und genau drauf achtest, würdest du merken, dass du viele Blicke auch ganz ohne ausländische Freundin bekommen würdest.

Klar ist, dass Ausländer in Korea ganz anders behandelt werden, schon aus dem einfachen Grund das es da nicht so viele gibt. In Deutschland gehören Ausländer einfach dazu und werden mehr oder weniger behandelt wie andere Deutsche auch. Natürlich auch mit der Folge, dass man zum Beispiel davon ausgeht, dass jeder der nicht Deutsch aussieht trotzdem Deutsch spricht und schon ewig hier lebt und deswegen auch alle "Regeln" in Deutschland kennt.

Anonym hat gesagt…

Ahhhh, Deutschland ist sooooo schlecht und Korea soooooo toll,Gaehn, bitte bleib halt dann in Korea :-)
Irgendwann wachst auch Du mal auf,sorry aber ich habe schon mehr als 20 Jahre eine Asiatische Freundin bzw.Frau und die Blicke und die Kommentare die Du dir in Korea anhoeren musst sind wesentlich schmerzhafter ;-)

Anonym hat gesagt…

by the way "Berlin ist Sexy" und wesentlich internationaler als Seoul:-) auch wenns Dir nicht gefaellt;-)