8.1.09

Minerva gefasst

Der Robin Hood Koreas, das Phantom der Börse, der Präsident ohne Gesicht - es gibt viele Namen für "Minerva", einen Internetuser, der in den letzten Wochen Korea mit seinen angeblichen Expertisen zur Wirtschaftslage, inklusive hochexklusiver Insiderinfos, in Atem hielt.
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Heute aber wurde Minerva von der Polizei gefasst. 링크
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Und auch wenn Eigenlob böse ist, so klopfe ich mir doch wieder einmal auf die Schultern; ich habe Recht behalten - "ein einfacher Hochstapler". Aber so einfach kann man es sich nicht machen.
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Der Herr ist in den 30ern, hat einen Abschluss von einer Fachhochschule, der nichts mit Wirtschaft zu tun hat, ist nirgendwo beschäftigt, geschweige denn wie er behauptet hat bei einer Investmentfirma und hat keinerlei Erfahrung und Kontakte, die seine Berichte irgendwie verifizieren könnten. Alles, was er geschrieben hat, war auf einem Selbststudium BWL und viel viel Phantasie basiert, nichts davon stimmte.
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Doch anstatt mich darüber zu freuen, dass ich mich im Gegensatz zu geschätzten 20 Millionen Koreanern so wie geschätzte 30 Millionen Koreaner davon nicht an der Nase rumführen lassen habe, möchte ich anlässlich dieses Falles Mal ein anderes Schlaglicht werfen:
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Was man aus diesem Fall lernen kann, ist vielmehr wie einfach ein verunsichertes Volk für sich zu gewinnen ist, wie einfach einem Glauben geschenkt wird, wenn er das sagt, was das Volk vermutet bzw. sich denkt. Parks Rezept war einfach: Ein begrenztes Fachwissen, ein aktuelles Thema, viel Mystik, noch mehr Populismus und Demagogie und ein Medium, um möglichst viele Menschen möglichst einfach zu erreichen. Fertig war das Phantom.
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Minerva, oder eben Herr Park, hat ein großes literarisches Talent gehabt. Ich gebe es gerne zu, auch ich war, obwohl ich noch längst nicht jede Nuance und jeden Kunstgriff im Koreanischen verstehe und mitbekomme, mehr als fasziniert von Stil und Inhalt Minervas. Auch wenn er jetzt eine hohe Geldstrafe oder sogar Gefängnisstrafe für seine Verbreitung falscher Gerüchte zu leisten hat, wird er doch sicher danach als Buchautor und Medienstar sehr gefragt sein. Es gibt eben Vergehen, die besser ankommen als einen 600-jährigen Nationalschatz anzuzünden.
Die Artikel und Kommentare lesen sich jetzt oft geradezu enttäuscht; wie konnten wir uns blenden lassen, was für ein böser Hochstapler, nicht mal Minerva kann man trauen!
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Ja, einer ominösen Internet-ID mehr Glauben zu schenken als den gewählten Repräsentanten des Volkes, das ist eine Eigenheit Koreas, eine Eigenheit für die ich angesichts der Repräsentanten des Volkes auch Verständnis aufbringe und trotzdem sagt dieses Verhältnis doch eine ganze Menge über die koreanische Gesellschaft aus.
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Persönlich habe ich Verachtung dafür, dass einer zur Befriedigung seines eigenen Egos ein ganzes Land in Atem hält - ich denke es ist kaum untertrieben zu sagen, dass Minerva die Wirtschaft allein mit seinen Gerüchten weiter geschwächt hat; er war ein Agitator und viele haben ihm glauben geschenkt. Selbst ausländische Investoren haben seine angeblichen Insiderinfos für bare Münze genommen; auch das sagt viel über Urteilskraft ausländischer Investoren und noch viel mehr über deren Vertrauen zu Koreas Repräsentanten aus.
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Noch faszinierender ist aber, dass jemand mit einem BWL-Selbststudium selbst BWL-Professoren und Wirtschaftsexperten foppen kann - das wiederum sagt viel zur sogenannten Expertise aus, die in Korea noch immer nicht von reiner Fachkenntnis bestimmt wird. Wobei, was heißt eigentlich foppen; im Gegensatz zu 90% der weltweiten Experten hat er den Zusammenbruch von Lehman Brothers korrekt und vorher prophezeit. Wie so oft, wenn eine Hysterie herrscht, wurden seine vielen (Glücks)-Treffer als Prophezeiungen eines Allwissenden akzeptiert, die nicht so richtigen Voraussagen (z.B. Fall des KOSPI auf 500) werden dann einfach ignoriert.
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Der Fall Minerva, ein scheinbar gelöstes Problem - und die moderne Version des Hauptmann von Köpenicks im Korea des 21. Jahrhunderts. Es wäre zu wünschen, dass die Gesellschaft Lehren zieht und Minerva dabei helfen kann, denn Minerva ist ein skrupelloser Betrüger - aber im Gegensatz zu vielen anderen Betrügern in der Elite Koreas dazu ein Genie, das genau den Geist und die Wünsche der koreanischen Internet-Gesellschaft zu analysieren vermochte. Gefahr und Chance, genau wie die Krise selbst.
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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

der untergang von lehmann brothers wurde schon vor minerva vorhergesagt und auch das in einem buch - hat er sich also gut anlesen können. nebenbei würde ich ein selbststudium nicht unterschätzen. wenn jemand mit viel leidenschaft an etwas geht, kann er deutlich mehr daraus machen als viele es mit einschlägigen studiengängen hervorbringen.