Park Chan-wook ist wahrscheinlich einer der genialsten Regisseure, die derzeit aktiv sind. Wer Old Boy gesehen hat, weiss was ich meine. Was ich besonders an seinen Filmen schätze, ist dieses scheinbare Zitieren, wobei eine vollkommen ausgelutschte Situation (man erinnere an die Kampfszene in Old Boy) einen solch feinen, meist einigermaßen komischen Twist bekommt, dass man sich denkt, "ah ja, so geht das auch". Ich liebe so etwas nicht nur bei Park, ich finde es insbesondere in der Literatur unersetzbar. Eine Liebesszene zu schreiben, dafür gibt es inzwischen dicke Handbücher, auf dem schmalen schmalen Seil des Klischees aber zu balancieren und nicht abzudriften - das ist wahre Kunst.
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Eben solch ein Meisterwerk hat Park meiner Meinung nach gerade wieder mit Bakjwi ("Fledermaus, intern. Titel "Thirst") hingelegt. Es gibt wohl kaum ein plattgetreneres Genre als die Vampirfilmerei. Unter den ersten Filmen überhaupt waren Vampirfilme und wenn wir uns an die jüngere Vergangenheit erinnern, gibt es da auch Vampirfilme, an die man sich lieber nicht erinnern möchten.
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Eine Kombination aus (Tragi-)Komödie und Horror, aus Kammerspiel und Comic - das ist schon wieder eine ziemliche Leistung, für die mir kein Beispiel einfällt.
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Und Park findet wieder diese eigenartig verstörende Mischung aus Komik und Brutalität. Ich selbst weiß, wie hart es ist, ein Familienmitglied zu pflegen, das kaum ansprechbar ist und Gott weiß, dass ich das noch lange nicht verarbeitet habe - wie aber die Großmutter im Film von Park in ihrem Sessel rumgetragen wird, da musste ich zwangsläufig lachen - und war über mich selbst anschließend schockiert. Was man Park vorwerfen kann? Er berührt die Menschen ganz tief drinnen, als ob man den Suppentopf ganz unten umrührt und die angebackene Kruste aufreißt. Park ist der "Schorfaufkratzer". Wir beschäftigen uns nicht mit Gewalt, erst Recht mit Schmerzen, denn allein die Beschäftigung tut weh - aber wer sich in einen Park-Film (ähnliches gilt für Kim Ki-duk) setzt, der wird zwangsläufig damit konfrontiert. Und über 2 Stunden nicht in Ruhe gelassen.
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Park spielt mit solchen eingebildeten oder wahren Tabus - auch die kalkulierte Entblößung von Song Gang-hos Gemächt (das allzu mächtig wahrlich nicht ist) ist so ein Punkt; bei jedem anderen Regisseur hätte ich mich angewidert aufgeregt, Park kann man es irgendwo verzeihen, weil es ins Gesamtbild passt - und dieses Gesamtbild ist schwer zu fassen, fast immer verstörend. Und bei manchen bleibt dann am Ende ein "Wow" und bei manchen das berühmte: "Wer gibt mir diese zwei Stunden meines Lebens zurück?".
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Lange Rede, kurzer Sinn: Wer sich drauf einlässt, kann mit Bakjwi einen Meilenstein der Filmgeschichte, bzw. eines Genres dieser Filmgeschichte bewundern, wem das Genre nicht liegt, Parks Stil nicht und wer überhaupt lieber Kuschelkino möchte, so wie die Mehrheit des koreanischen Kinopublikums, dem ist dieser Film wirklich nicht zu empfehlen. Kein Wunder also dass die durchschnittliche Bewertung auf einem koreanischen Kinoportal bei 5,7 von 10 Sternen liegt.
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Ist es ein Wunder, dass die seichte bis hohle Komödie Chilgeup Gongmuwon diese Woche auf Platz 1 der Kinocharts liegt, während Bakjwi auf Platz 3 abrutscht? Mal schauen, was die Juroren in Cannes sagen - dort gilt Parks neuestes Werk nämlich als heißer Kandidat auf einen der begehrten Preise.
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Und wer nach dieser Rezension jetzt noch hören möchte, was Park selbst über seinen Film sagt, nämlich genau das Gegenteil dessen, was ich gerade geschrieben habe, dem sei dieses Video von CNN empfohlen. Denn Park selbst fand seinen Film mal wieder gar nicht brutal und sieht die Schlachtplatte sogar als Geschenk an seine Tochter, quasi die Schlümpfe als Vampirfilm.
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