Eine meiner wahrscheinlich am meisten gehaltenen Verteidigungsreden für die koreanische Kultur hat mit Samulnori zu tun. Die sehr kurzen Dialoge zum Thema, die immer nach dem gleichen Muster, schrecklich vorhersehbar verlaufen, verdeutlichen sehr gut, warum ich erstens mit Korea-Kritikern so wenig anfangen kann und es mich so anödet über so etwas zu diskutieren.
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Ich: Samulnori ist eine traditionelle Kunstform, die mit vier Instrumenten gespielt wird (blablabla etc.)....
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Kritik: Na das hast du wohl falsch verstanden. Samulnori ist gar nicht traditionell, das hat sich jemand in den 70ern ausgedacht.
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Antwort: Ja dieser jemand ist Kim Deok-su. Ein traditionell ausgebildeter Musiker, der die traditionelle Bauernmusik seiner Region mit den traditionellen Rhythmen, Kostümen und Instrumenten schlicht auf die Bühne gebracht hat, um sie besser aufführen zu können. Man kann sich heute ja nun mal nicht mehr immer auf dem Dorfplatz versammeln und dann der traditionellen Form lauschen.
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Kritik: Was ist dann noch bitte koreanisch oder traditionell daran? Das machen die doch nur für die Touristen.
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Antwort: ...( sich auf die Zunge beißend)
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Ende.
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Meine Kritik am Samulnori ist eine ganz andere: Auf der einen Seite ist es toll, dass Kim Deok-su (ich hatte die Ehre ihn ganz am Anfang meiner Korea-Schwärmerei kennenzulernen) mit dieser spannenden Formation die Tradition "in" gemacht hat. Das Problem ist aber, dass die Gruppen eigentlich immer die gleiche, orthodoxe Reihenfolge im Programm haben. Nach geschätzt 50-70 Mal Samulnori in meinem Leben weiß ich genau, wann der Teil kommt, wo sie den Spruch aufsagen, wann der Teil kommt, wo es schneller wird, wann es ins Stehende übergeht.
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Das kann etwas Gutes sein. Man muss etwas erst bekannt machen, man muss etwas erst einmal fest etablieren, standardisieren, um es zu bewahren und zu popularisieren. Aber irgendwo darf es dabei nicht anhalten, es muss einfach weiter gehen.
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Wenn Leute mir sagen, dass Samulnori nicht traditionell ist, dann möchte ich entgegnen, "doch, Samulnori ist sogar viel zu traditionell, traditionell im Sinne von orthodox, althergebracht mit der Tendenz zur reliquienhaften Verehrung ohne echten Esprit."
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Aber dafür müsste man ja zu weit ausholen.
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Als ich das folgende Video von Kim Deok-su zu seinem 50-jährigen Jubiläum (!) sah, merkte ich wieder, warum Samulnori mich so fasziniert: Diese unglaubliche Leichtigkeit, scheinbare Improvisation - der kleine dicke Mann schwebt auf der Bühne. Einfach toll. Er entwickelt sich immer weiter, setzt immer noch eins drauf - aber seine vielen vielen Schüler scheinen sich immer noch an den immer gleichen 3 Rhythmen aufzuhalten. Vielleicht wird es erst eine Revolution geben, wenn der Meister einmal nicht mehr ist (oder im Gegenteil, die reliquienhafte Verehrung des Kim Deok-su Samulnori wird noch schlimmer).
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Allen, die Samulnori noch nie gesehen haben, empfehle ich das folgende Video: Die ganzen Showelemente sind raus, es ist einfach nur ein Mann, sein Instrument und sein Tanz. Mehr ist Samulnori nicht. Mensch - Instrument - Musik. Punkt.
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Kim Deok-su hat übrigens auch viel mit Fusion herumexperimentiert. Kommt selbst ein Kim Deok-su wohl nicht dran vorbei. Seine sehr jazzige Kooperation mit den Österreichern fand ich nicht so klasse. Wie er jedoch Samulnori, Pansori, Jazz und Rap im folgenden Video zusammenführt, das hat mich gleich mitgerissen:
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Die Dame, Ahn Suk-seon, ist übrigens sowas wie Kim Deok-su, nur eben fürs Pansori. Die unangefochtene, ewige Übermutter. Pansori ist übrigens auch so ein Thema. Wie kann man einzelne "Arien" aus dem 20-stündigen Gesamtkontext reissen. Bla bla bla. Bachs Oratorien hört man sich auch an ohne dabei zu beten - und man isst heute auch nicht mehr in der Oper. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Bräsigkeit in der Unterrichtung in Kultur- und Traditionspflege, die manche Westler an den Tag legen, schlicht mit der Unwissenheit darüber zu tun hat, wie weit sich die eigene Gesellschaft schon von den Traditionen entfernt hat, bzw. dass auch Tradition ein Konzept ist, das sich wandelt und wandeln muss. Andersrum ist es aber natürlich auch nicht besser: oho die Asiaten sind so weise, die leben ja so im Einklang mit ihrer Natur und den Werten.
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5 Kommentare:
Samulnori ist eine Droge, wenn du ihr einmal verfallen bist, kommst du da einfach nicht mehr raus.
Ein schönes Video ist natürlich auch das: http://www.youtube.com/watch?v=Yz1IiPlGa-0
Das wird meines Erachtens nach auch am meisten gespielt und ist vlt schon ein wenig ausgelutscht, aber ich finde es immer wieder toll ^^
Ich erinner dich an die Autofahrten mit Kwaengari! ;)
Salmunori & Taiko is the same boring thing....
wenn man mal korea besucht, reicht es wenn man sich das einmal ansieht...das als leidenschaft zu haben ist genauso komischen als wenn ein koreaner ueber deutsche folgsmusik schwaermt oder..."wie heisst der tanz noch wo man auf und ab springt und sich immer aufs knie und die fuesse haut?" da wuerden alle auch nur schmunzeln und sich fragen ob der nen knall hat...
Do kontere ich aber mit Morlam aus Laos oder Nord Ost Thailand ...das ist Leidenschaft ;-)
http://www.youtube.com/watch?v=r5wu-ot9Jg0
http://www.youtube.com/watch?v=IwXzPqWV4oM&NR=1
Wenn man sich an die nervige Stimme gewöhnt hat, ist der Rythmus wie eine Droge ...klappt auch ohne Alk:-)
Also in aller Ehren Deine Liebe zu Korea ....
Zur Entschuldigung muss ich aber auch anmerken das viele Asiaten voll auf Bayrische Volksmusik abfahren ;-) ..Ehrlich !!!
Ich hab als Kind in Korea gelebt und habe das Glück gehabt sehr viel von der Kultur und dem Land erfahren zu haben.
Samulnori mag zwar exotisch sein, aber was für einen unterschied macht es ob man als Europäer Reggae oder Samulnori hört?
Deutsche Weichspüler Volksmusik wie im Musikanten Stadel hat nichts mit Folklore zu tun, das ist reiner Kommerz.
Auch in Korea gibt es gruselige Pop Musik, die unserer in grausamkeit nicht nachsteht, es gibt aber auch sehr viel gute Musik und Samulnori ist da mein Favorit.
mdege
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