19.9.08

Krisen | 위기들

Gestern träumte ich, dass das nordkoreanische Militär einen Staatsstreich im Norden veranstaltet hat und als erste Amtshandlung erst Mal Seoul in Schutt und Asche gelegt hat, wovon wir in der Akademie gar nicht viel mitbekommen haben und dann nur als die Einschläge näher kamen mal nach oben gingen, um zu gucken. Da war aber von Gangnam schon nicht mehr viel übrig.
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Heute kündigt Nordkorea dann an, dass man sich in den USA das Streichen von der Terrorliste doch bitte in den Hintern schiebe möge, man seinen Atomreaktor wieder in Betrieb nehme und auch ansonsten eigentlich keine Lust auf Kooperation habe. Was soll das nun schon wieder alles heißen. Militär an der Macht, weil Kim von seinem Anfall nicht mehr richtig ins Amt zurückkommt oder ist es gar der kleine Mann im Schlafanzug, der jetzt Stärke demonstrieren möchte?
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Neben der Terrorliste hat dann noch eine weitere Liste Bedeutung für Korea, wenn auch den anderen Teil: FTSE hat Korea endgültig in die Liste der Entwickelten Nationen aufgenommen. Corporate Governance sei am unteren Ende und verbesserungswürdig, ansonsten sei Korea dem Index zufolge unter 25 Ländern mit dem Status inzwischen das "zwölftbeste". Rankings sagen nix aus, aber offensichtlich halten sich wohl manche Investoren und Kreditgeber dran. Wo wir schon bei Krediten und Subprimes sind.
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Die Weltwirtschaft meint gerade zusammenbrechen zu müssen und Geldtauschen wird fast schon so sehr zum Glücksspiel wie an der Börse zu investieren. Einer unserer Professoren hat sich mächtig verspekuliert und kommt seit einigen Tagen mit einem anderen - kleineren - Auto zur Arbeit. Grins. Ansonsten lebt man in Gangnam weiterhin in seinem eigenen Kosmos und kauft Perrier für 4 Euro pro 1 Liter ohne mit dem schönheitsoperierten Lid zu zucken. Dazu dann ein paar Hallabong-Mandarinen aus Jeju für 2 Euro den Happen. Manchmal gehe ich wirklich nur in den Supermarkt hier, um Leute zu beobachten. Hätte ich Zeit und literarisches Ausdrucksvermögen würde ich ein Buch drüber schreiben - so wirds nur ein wirrer Blog.
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Die nächste Krise ereignete sich dann heute Nachmittag als uns klar wurde, dass Märchenstunde mit Prof. Großvater Park doch nicht das letzte Mal war, sondern er uns nächste Woche noch mehr Geschichten erzählen wird von seinen Badeerlebnissen mit seinem Vater, dem Kuscheln mit Guillaume beim letzten Mal Hoesik (Essen mit Prof und uns) und wie fremd er doch seiner Frau sei. Aber bitte, nur weil er während seiner Studienzeit (Ende 17. Jahrhundert) mit einem anderen Franzosen gemeinsam "aus Zeitgründen" duschen wollte, muss man ja nicht gleich irgendwas Falsches denken. Der Kurs heißt übrigens Koreanische Geistesgeschichte. Da bekommt der Name eine ganz neue Bedeutung.
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Doch zurück zur hohen Politik, meinem zukünftigen Betätigungsfeld. Man scharrt an der KU schon die Hufe, wie mir versichert wurde. Comparative kann ich zwar nicht viel aussagen, aber in den USA drehen sich die Umfragen jeden Tag, ebenso wie in Bayern und Österreich. Irgendwie ist die ganze Welt in Aufruhr und Umbruch - und dann setzt RTL auch noch die neue Show vom Oli Geissen ab wie ich heute schockiert in meiner Lieblingszeitung mit den vier Buchstaben lesen musste. Unglaublich oder?
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Das neue Budget der koreanischen Regierung hingegen hat nicht viel Überraschendes parat: Weniger für Soziales, mehr für Forschung, Bildung und Wirtschaftsförderung.
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Wenigstens ist die Inflation letzten Monat zum ersten Mal wieder zurückgegangen. Ganz unabhängig davon verfliegt das Krisenhafte auch, wenn man bei 30 Grad auf der begrünten Dachterrasse sitzt und einen 10 Äpfel futtert, die man gerade für 5000 Won vom Bauern auf seinem kleinen Truck erstanden hat. Es sind ja in schwierigen Zeiten bekanntlich die kleinen Freuden, die das Leben lebenswert machen. So erfreute mich heute bei meiner Heimkehr in mein Loch ein geschätzte 5 Kubikmeter großer Ventilator, der mir ins Zimmer gestellt wurde, weil ich mich beklagt hatte, dass die Aircon nicht richtig funktioniert...
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Naja, Energiesparen ist auch ne Methode Wirtschaftskrisen zu verhindern oder abzudämpfen. Oder man zeigt einfach mal denen da oben, wo der Hammer hängt. So wie wir heute - als wir zur Bank gegangen sind und uns der freundliche Kundenberater ins VIP-Zimmer führte, wo es Getränke und Bonbons gab, weil die normalen Schlangen so voll waren und der VIP-Berater in seinem holzgetäfelten Palast gerade nichts zu tun hatte. Die Drei Weisen aus dem Morgenland setzten sich also gepflegt hin und sahen noch einen anderen Unterschied: Hier läut der Nachrichtensender YTN, im Warteraum für den einfachen Pöbel laufen Dramas und Spielshows aus dem Spartenfernsehen. Sollen Sie doch Ddeok essen, wenn Sie keinen Reis haben!
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Aber...war das vielleicht die viel beschworene Septemberkrise, deren Zeuge wir heute in Gangnam wurden? Ich mein....gibt es in Gangnam Freitag mittags nicht mehr genug Reiche, um einen einzelnen VIP-Berater zu beschäftigen? Naja, ich verbuche es mal unter koreanischer Gastfreundschaft. Fast hätte ich gefragt, ob ich abends in dem VIP-Raum schlafen darf. Geräumig, Flachbildschirme, kleine Küche, bequeme Ledercouches. Da ließe es sich schon leben.
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P.S.: Kleine Randnotiz, an alle, die schon ihre Krallen wetzen; der Kapitalismus wird nach Blick in mein Orakel auch dieses Mal nicht zusammenbrechen. Ist ein bisschen so wie mit der Demokratie: Ein Scheißsystem, bei dem sich alle irgendwie benachteiligt fühlen wollen - aber alle Gegenversuche sind (glücklicherweise) kläglich gescheitert. Wer eine schöne Idee für eine neue Gesellschaftsordnung hat, bitte in den Kommentaren posten, ich leite es an den geliebten Führer (oder seine Nachfolger eben...) weiter. Die stolzen Banner der leuchtenden Juche- und Seongun-Politik werden ja auf die Dauer auch ein wenig fad.
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So, genug ungeordnete Gedanken abgelassen, für heute.
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3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Habe Deinen Beitrag zu den sogenannten Kerzendemos nicht mehr wiedergefunden, daher an dieser Stelle meine Frage an Dich: Was war eigentlich der Auslöser der "Sommerkrise"? An BSE-verseuchte Rindfleischimporte aus den USA glaube ich nicht wirklich. Aber wer hat mit welchen Worten die ersten Seouler auf die Straße geholt? maro

Anonym hat gesagt…

Die letzten zwei Blogeinträge sind erfrischender, als alles, was bisher auf dem neuen Blog niedergeschrieben wurde. Das ist mehr ein Lob als eine Kritik ;) und zum vorletzten Eitnrag: Ja, es ist tatsächlich angenehmer, mal nicht so Korea-Begeistert zu sein. Jeder sarkastische Spruch und jede nüchterne Bewertung rückt einem die eigentlichen Vorzüge eher ins Bewusstsein, als jedwede Schönrederei, mit der man u.a. von Neulingen gerne mal konfrontiert wird.
Beste Grüße
Michu

Gomdori@KU hat gesagt…

@maro: Je nach Betrachtungsweise gab es zwei Ausloeser..

Die Linken sehen Lee als Schuldigen, der das Volk aufgebracht hat...
Die Rechten sehen die Linken als Schuldige, die die Situation ausgenutzt haben, anstatt deeskalierend einzugreifen.

Meine Einschaetzung dazu: Beide haben Recht. Lee hat mit seiner herablassenden Art das Volk gegen sich aufgehetzt und so sind die ersten kleineren Demos entstanden. Dass danach aber interessierte Gruppen, bis hinein in die Fraktion der Minjudang, meinten, dies sei ihre Chance und konzertiert weiter Unwahrheiten und Halbwahrheiten verstreuten, kann niemand ernsthaft bestreiten.
Dass dann wiederum Lee zunächst auch wieder nicht klug reagiert hat, sondern sich verschanzt hat, hat wiederum den Demonstranten gezeigt, dass sie Recht haben.

Ein Frontalzusammenstoß passiert meist auch nur, wenn beide Seiten unaufmerksam sind...

@Michu: Ja, das Problem sind aber die Miesmacher, die über Korea so reden ohne es wirklich zu kennen....da ist man dann immer leicht versucht, sofort gegenzuhalten. Inzwischen habe ich die Ruhe gefunden, diese Dumpfbacken einfach zu ignorieren und mein Leben hier zu genießen ^^

P.S.: Dacht ich mir, dass dir dieser wirre Stil gefällt :P